
Ein Augenblick der Peinlichkeit war es schon, als sich der eigens aus Berlin angereiste SPD-Bundesvorsitzende, Vizekanzler und deutsche Finanzminister in den Niederungen einer Mittelstadt wie Unna erst einmal über den aktuellen Strompreis aufklären lassen musste.
„Wir machen mit der Strompreissenkung weiter“, versprach Lars Klingbeil am Donnerstagabend (4. September), zehn Tage vor der NRW-Kommunalwahl, vor rund 50 geladenen Gästen beim Wirtschaftsgespräch der SPD in der Sparkasse UnnaKamen.
„Wir sind jetzt wieder auf dem Level von vor dem Krieg“, fügte Klingbeil hinzu und meinte damit den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
Dort sei man leider nicht, widersprachen ihm gleich zwei seiner Zuhörer aus dem Publikum.

……………………..
Der eine war Gerhard Schroeder, seit dem 1. Juli 2025 Vorstand beim Aluwerk Unna (ALUNNA), der andere war Unnas Stadtwerke-Geschäftsführer Jürgen Schäpermeier.
Beide wiesen den Bundesfinanzminister höflich, aber deutlich darauf hin, dass sich die Energiepreise seit Beginn des Krieges in eine Richtung entwickelt haben: nach oben.
„Die Preise liegen doppelt so hoch wie 2019“, unterstrich Schroeder, der wegen seiner Namensgleichheit mit dem „Agenda“-Kanzler zu Beginn noch locker mit Klingbeil geflachst hatte.
Beim Thema Energiekosten aber und dem Zustand der Wirtschaft im Allgemeinen machte der Aluwerk-Chef nun aus seiner Ungehaltenheit keinen Hehl.
„Wir verzeichnen jetzt im dritten Quartal Umsatzrückgänge. Der Wirtschaft geht es sehr schlecht.“
Neben speziellen Problemen der Alu-Industrie, zu denen unter anderem auch die Zölle auf US-Exporte gehören („unser Exportanteil liegt bei 40 Prozent“), kritisierte der Unnaer Aluwerk-Vorstand:
„Es gibt keine Berechenbarkeit.“ Und die Energiepreise seien eben nicht wie von Klingbeil behauptet wieder signifikant gesunken.
Bestätigen konnte bzw. musste dies der Geschäftsführer der Stadtwerke Unna.
„Sind die Energiepreise wirklich wieder auf dem Level von 2019? Nein“, akzentuierte Jürgen Schäpermeier. Sein Vorredner habe Recht.
„Wir liegen jetzt beim Doppelten. Und dazu kommen die Transformationsanpassungen.“
Die Bundesregierung werde mit den Strompreisanpassungen weitermachen, versicherte Klingbeil den kritischen heimischen Wirtschaftsvertretern. Mit einem Industriestrompreis allein sei es aber nicht getan, wandte Familienunternehmer Heinrich Schabsky ein.
„Der Industriestrompreis ist ein Thema. Der Stahl ein weiteres. Wieder ein anderes Thema sind zum Beispiel E-Autos.“
Was spreche denn etwa gegen ein „Social Leasing“, um die schleppende Nachfrage anzukurbeln und E-Mobilität für Mittel- und Kleinunternehmen bezahlbar zu machen? – Der Finanzminister nahm es mit.
Ein weiterer Mittelstandsunternehmer aus Unna kritisierte die hohe Steuerlast für die tragenden Säulen der deutschen Wirtschaft: „Große Firmen“ (er nannte Amazon) „zahlen so gut wie keine Steuern.“ Auch hier sei man dran, versprach der Finanzminister und nahm es mit.
Die überbordenden Sozialabgaben und erdrückenden Lohnnebenkosten sprach ein Unternehmer aus Dortmund an (Materna). Er forderte Klingbeil sehr energeisch auf: „Wann packt ihr das endlich an?“
Es müsse jedem klar sein, wie es um das Rentensystem bestellt sei. „Die Leute, die heute in Rente gehen, leben im Schnitt noch 20 Jahre. Das sei ihnen herzlich gegönnt!“
Aber das System lasse sich so, wie es sei, nicht mehr tragen. Das gehe nur mit durchgreifenden Änderungen, explizit mit einer Anhebung des Rentenalters auf 68 Jahre. Offensive Frage an den Vizekanzler:
„Wann gehen Sie diese Gullys endlich an?“
Statt dessen schaffe die geplante Änderung bei der Erbschaftssteuer – die Übertragung von Firmen höher zu besteuern – den Unternehmen noch mehr Probleme, hielt der Besucher dem Finanzminister vor. Und er erwähnte noch:
„Die Diskussionen der letzten Tage waren auch nicht so toll. Stichwort Bullshit.“
Gemeint war die Verbalattacke von SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas gegen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der es in Frage gestellt hatte, ob Deutschland sich den Sozialstaat so, wie er sei, noch leisten könne. Dies sei „Bullshit“, hatte Bas beim Landesparteitag der Jusos geschimpft.
Ihr Parteichef und Vizekanzler ging auf den Kraftausdruck seiner Genossin bei seinem Besuch in Unna nicht ein. „Ich setze große Reformen nicht mit dem Abbau des Sozialstaats gleich“, verdeutlichte Klingbeil statt dessen beim kritischen Thema Sozialkosten.

Zum Bürgergeld sagte er:
„Ja, ich will Veränderungen. Ich will, dass Leute, die schwer arbeiten, ein gutes Gefühl haben, wenn sie nach der Arbeit nach Hause gehen. Ich will, dass den etwa 18.000 Totalverweigerern, die wir deutschlandweit haben, dass denen auf die Finger geklopft wird. Ich möchte es hier klar sagen:
Für mich ist es ungerecht, wenn jemand Geld vom Staat bekommt und nichts dafür tut, obwohl er es könnte.“
Mit Blick auf die Demographie und die aus dem Erwerbsleben scheidenden Boomer-Jahrgänge ergänzte Klingbeil:
„Wir wollen es attraktiver machen, dass die Menschen noch weiter arbeiten wollen, obwohl sie das Rentenalter schon erreicht haben.“
Abschließend erwähnte der Bundes-SPD-Vorsitzende und Vizekanzler noch die allgemeine Stimmung im Land. Die werde aus gewissen Richtungen bewusst schlecht geredet. „Die Gefahr ist, sich von der schlechten Laune anstecken zu lassen.“ Dem müsse man, bei allen realen Problemen, mit Kraft entgegentreten.
Denn, so bekannte Klingbeil zum Abschluss seines Impulsvortrags in Unna:
„Ich habe noch kein Land erlebt, in dem ich lieber leben würde als in Deutschland.“
Schön dass Vertreter der Wirtschaft einer SPD-Einladung gefolgt sind um den Worten eines „Totalversagers“ zu lauschen.
Schön auch das dann tatsächlich 2 Zuhörer bei dem Nonsens Rückgrat zeigten denn wie zu erwarten ist Klingbeil seinem Ruf gerecht geworden und hat erneut gezeigt wie weit die Berliner Mischpoke von der Realität des Bürgers und der Wirtschaft entfernt ist.
Angesichts der aktuellen Rekord Umfragewerte der AfD und einem Höchstwert der Unzufriedenheit mit der aktuellen Koalition sich allerdings nicht mit “der schlechten Laune anstecken zu lassen” bestätigt dann final die Fehlbesetzung.