„Radfahrer auf dem Ring – nur huckepack“: Wenige Wochen vor der Kommunalwahl am 14. September schießt sich die Unnaer FDP konzentriert aufs Thema Verkehr (wir berichteten schon über die Anti-Tempo 30-Kampagne) und speziell auf einen der acht politischen Mitbewerber ein.
„Anfang dieses Jahres wollten vor allem die Grünen den Unnaer Verkehrsring umbauen – eine Fahrspur sollte zur Fahrradspur werden“, erinnern die Liberalen. Eine Mehrheit fand das Ansinnen nicht.
Gerade auch nicht bei der FDP. „Für uns war von Beginn an klar: Das wäre ein Schildbürgerstreich gewesen, den wir niemals mitgetragen hätten„, betont die Partei um Spitzenkandidat Benjamin Lehmkühler.
Dieser macht deutlich:
„Der Ring ist die Lebensader dieser Stadt. Die Pläne der Grünen hätten Berufsverkehr, Lieferdienste und Handel ausgebremst. Wir sind die einzige Partei in Unna, die auch an die Autofahrer denkt – und das wird auch so bleiben.“
Die FDP halte sichere, durchgehende Radwege für sinnvoll – aber eben abseits der Hauptverkehrsstraßen, nicht mitten zwischen LKW und Bussen. Für die Liberalen ist der Ring das Rückgrat des Stadtverkehrs, das nicht durch „ideologisch motivierte Projekte“ geschwächt werden dürfe.
Auch damals stand die FDP als einzige Partei klar zu einer funktionierenden Infrastruktur für alle Verkehrsteilnehmer – und eben nicht nur für die, die ins Weltbild einer Partei passen.
„Wir setzen auf Vernunft statt Verkehrschaos – und wir denken an alle Verkehrsteilnehmer“, unterstreicht Lehmkühler. Und erinnert an einen wahren Umstand:
„Dies hat man bereits gesehen, als wir als einzige Partei gegen das aktuelle Parkraumkonzept gestimmt haben.„
PM FDP Unna
Mit diesem „Freie Fahrt für freie Bürger“ Unsinn dieser Fakten ausblendenden, ewig gestrigen Verkehrspolitik, versucht die untergegangene FDP, die letzten Ignoranten auf ihre Seite zu ziehen. Nach der Wahl wird man sich dann wieder in den sicheren Dickdarm der CDU einrichten. In der Großstadt Helsinki gab es im vergangenen Jahr keinen einzigen Verkehrstoten. Dort ist flächendeckend Tempo 30. Nur völlig realitätsfremde Menschen verkennen die Vorteile einer vernünftigen Verkehrswende.
Das stimmt überhaupt nicht!
In Helsinki ist nicht flächendeckend Tempo 30.
Fast die Hälfte der Straßen sind nicht auf 30 limitiert. Das reicht dann unseriösen Medien, wie zB der Tagesschau, um von „Tempo 30 fast überall“ zu sprechen und irgendwelche Herberts machen dann, ohne den Rest des Berichtes zu lesen, „flächendeckend Tempo 30“ daraus.
Vor 50 Jahren war es dort umgekehrt, da waren bereits fast die Hälfte der Straßen auf 30 limitiert. Und trotzdem gab es Anfang der 90er noch ca. 30 Tote im Jahr. Bei über 800.000 Einwohnern.
Man muß vor allem sehen, von welchen Zahlen Helsinki auf die „0“ Verkehrstoten auf 100.000 Einwohner kommt. Und da gehört Helsinki zu den Großstädten, die seit vielen Jahren schon relativ niedrige Zahlen aufweisen.
(Wenn diese denn stimmen, Helsinki hat zB die Zahlen für 2014/2015 bis jetzt noch nicht bestätigt.)
Stockholm, Wien, Berlin, Dublin und München hatten bislang sogar weniger Verkehrstote als Helsinki. Das alles bewegt sich schon seit über 10 Jahren auf einem niedrigem Niveau von zB 0,7 bis 1,5/100.000 EW.
Nun hat Helsinki es einmal bis zur glatten „0“ geschafft. Prima.
Hat das nun bestimmt an den paar Tempo 30 Straßen gelegen, die von den letzten Jahren her dazugekommen sind? Oder war das lediglich ein statistischer Ausreißer, ausgehend von einer eh niedrigen Zahl?
Oder liegt es am dort immer besser ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, der viele Menschen ihr Auto stehen lassen läßt, im Gegensatz zum immer weiter eingeschränkten öffentlichen Nahverkehr hier bei uns?
Zusätzlich werden die Geschwindigkeiten dort rigoroser und dichter überwacht und die Stadt hat die Verkehrserziehung der Kinder im Laufe der letzten Jahre nochmal deutlich forciert.
Vielleicht liegt es also daran? Oder an einer Kombination der Maßnahmen?
Zitat Tagesschau:
„Nicht zuletzt hätten stärkere Geschwindigkeitskontrollen und der generelle Ausbau der Verkehrsüberwachung die Sicherheit im Straßenverkehr erhöht. Außerdem sei der öffentliche Nahverkehr massiv ausgebaut worden. Nun nutzen viele Menschen seltener das Auto und damit gehen auch die Unfälle zurück.“
Wenn das wirklich so ist und dadurch die Zahl der Unfälle sank, bleibt für die Kausa „Tempolimit 30“ aufgrund des niedrigen Startniveaus eigentlich nichts mehr übrig.
Es gäbe da noch mehr zu untersuchen und zu vergleichen, bevor man sich realitätsfremd monokausal auf das Tempolimit 30 stürzt (was eben dort gar nicht flächendeckend existiert). Wenn zB alle sich nur mit Schrittgeschwindigkeit im Stau bewegen, gibt es auch keine Verkehrstoten mehr, ganz ohne Tempolimit.
Was für eine klare, mutige und dringend nötige Anmerkung, die Herbert in dieser Debatte äußert – seine Leserzuschrift bringt die Wahrheit auf den Punkt, die viele nicht hören wollen, aber dringend hören sollten. Ich habe im Urlaub in Schweden auch erlebt, wie sicher, ruhig und lebensfreundlich Städte mit durchdachter Verkehrspolitik sein können – das ist kein Wunschtraum, sondern längst gelebte Realität.
Wer – wie die FDP – in Zeiten von Klimakrise, Lärmbelastung und wachsendem Platzmangel ernsthaft mehr Tempo und mehr Parkplätze fordert, hat offenbar kein Interesse an der Stadt von morgen – sondern nur an der Vergangenheit von vorgestern.