Mit seinem Auftritt auf der „Demonstration für Demokratie und Vielfalt“ am Freitagnachmittag (26. Januar) auf dem Rathausplatz und mit dem vorgeschalteten Aufruf zur Teilnahme an dieser Demo auf der städtischen Homepage hat Unnas Bürgermeister Dirk Wigant (CDU) möglicherweise seine Neutralitätspflicht verletzt.
Denn als Beamter ist er dieser politischen Neutralität verpflichtet und darf sein Amt nicht zur einseitigen politischen Meinungsbildung verwenden.
Besonders kritisch wirkt auf diesem Hintergrund Wigants Kundgebungsrede vom Freitagnachmittag vor dem Rathaus. In dieser macht er sich u. a. Begriffe wie „Deportationen“ zu Eigen, die „Gruppen in diesem Land“ angeblich „planten“ – die AfD nennt Wigant explizit dabei nicht, doch wird aus dem Kontext heraus klar, wen er meint, da er am Ende seiner Rede öffentlich Sympathie bekundete für ein Verbotsverfahren.
Die Alternative für Deutschland ist nicht im Stadtrat Unna, wohl aber mit einem Kreisverband lokal vertreten.
Die NRW-AfD derzeit nicht zu den Landesverbänden, die der Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ einstuft. Zwar erklärte der SPD-Bundestagsabgeordnete Oliver Kaczmarek aus Kamen am Donnerstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung „Offene Gesellschaft in Gefahr?!“ in der Stadthalle Unna in einem Rundumschlag die gesamte AfD für „von vorne bis hinten rechtsextremistisch“.
Gesichert ist dies bisher längst nicht. Als Bundestagspolitiker „darf“ Kaczmarek sich jedoch so äußern – anders verhält es sich mit einem Politiker, der ein Bürgermeisteramt bekleidet.
Die Idee hinter dem Neutralitätsgebot:
Die politische Willensbildung in der Demokratie soll sich von unten nach oben vollziehen, also vom Volk zu den Staatsorganen. Die Autorität des Amtes und die damit verbundenen Mittel – etwa Steuergelder und Personal – sollen nicht missbraucht werden, um diesen Prozess umzukehren. Deswegen sollen sich Amtsträger nur mit Sachargumenten zu politischen Debatten äußern.
Auf diesem Hintergrund kann es auch kritisch gesehen werden, wenn der Organisator der Demo in Unna – der „Runde Tisch gegen Gewalt und Rassismus“ – mit seiner Geschäftsführung direkt im Bürgermeisterbüro angesiedelt ist.
Bürgermeister und Neutralitätsgebot
§ 33 Grundpflichten
(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt. (Zitat aus dem BeamtStG – 28. Juni 2021)
Diskriminierendes Verhalten: Ein Beamter zeigt offen diskriminierendes Verhalten gegenüber bestimmten Personengruppen, etwa aufgrund von Ethnie, Geschlecht oder Religion, was sowohl im Dienst als auch privat ein schwerwiegendes Dienstvergehen darstellen kann.
Beamte dürfen sich politisch betätigen und ihre Meinung äußern, jedoch nur außerhalb des Dienstes und unter Einhaltung von Mäßigung und Zurückhaltung. Gemäß § 60 Abs. 2 BBG und § 33 Abs. 2 des Beamtenstatusgesetzes müssen Beamte bei politischer Betätigung sicherstellen, dass ihre Amtsführung nicht beeinträchtigt wird und dass sie keinen Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung darstellt.
Bei politischer Betätigung haben sie diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben (§ 60 Abs. 2 BBG; Pflicht zur politischen Mäßigung).
Gerichtsurteile
Das Berliner Verfassungsgericht verhandelte 2018 darüber, ob ein Tweet des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller (SPD), rechtswidrig war. Müller hatte sich im Mai jenes Jahres positiv über eine Demo „gegen Rassismus und menschenfeindliche Hetze” geäußert.
Müller (SPD) schickte sie am 27. Mai 2018 als Tweet in die Welt: „Zehntausende in Berlin heute auf der Straße, vor dem Brandenburger Tor und auf dem Wasser. Was für ein eindrucksvolles Signal für Demokratie und Freiheit, gegen Rassismus und menschenfeindliche Hetze.“
Rund 25.000 Menschen waren an diesem Tag auf die Straße gegangen, um ein Zeichen gegen eine zeitgleich stattfindende AfD-Kundgebung zu setzen. Gleich 13 Gegenveranstaltungen waren angemeldet, unter anderem unter dem Motto „Stoppt den Hass! Stoppt die AfD“.
Die AfD als Klägerin argumentierte, die positive Würdigung der Gegendemo sei zugleich eine unzulässige Kritik an der AfD. Weil der Regierende Bürgermeister seinen offiziellen Twitteraccount verwendet hat, habe er sich in seiner amtlichen Funktion geäußert. Müller hielt dagegen, der Tweet habe gar keinen ausreichenden Bezug zur AfD gehabt. Er habe ein allgemeines politisches Anliegen der Demonstrierenden gewürdigt, das über den Protest gegen die AfD-Kundgebung hinausgehe. Dieser Argumentation folgte der Verfassungsgerichtshof.
In einem anderen Fall unterlag ein kommunaler Verwaltungschef vor Gericht:
Das Bundesverwaltungsgericht entschied hat am 13. September 2017, dass eine Äußerung des Düsseldorfer Oberbürgermeisters rechtswidrig war.
Thomas Geisel (SPD) hatte sich im Januar 2015 auf der Internetseite der Stadt gegen eine Demonstration der rechtspopulistischen „Dügida“-Bewegung positioniert. Er rief Bürger und Unternehmen auf, als „Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ die Beleuchtung ihrer Gebäude auszuschalten und an einer Gegendemo „für Demokratie und Vielfalt“ teilzunehmen – Letzteres genauso wie Unnas Bürgermeister in der Ankündigung zur gleichnamigen Demo in Unna.
Dazu heißt es auf der städtischen Homepage und anschließend auf der Facebookseite Unna.de:
Die Bitte um eine Stellungnahme hat unsere Redaktion mit Veröffentlichung dieses Berichts am heutigen Samstag, 27. Januar, ans Unnaer Rathaus geschickt. Wir werden die Antwort in einem eigenen Artikel wiedergeben.
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Im Düsseldorfer Fall sah das Bundesverwaltungsgericht das Sachlichkeitsgebot verletzt.
„Der Aufruf verfolgte das Ziel, die Versammlung der Klägerin in ihrer Wirkung zu schwächen und die Gegendemonstration zu stärken“, so das Gericht. „Er greift unzulässig in den Wettstreit der politischen Meinungen ein und nimmt lenkenden Einfluss auf die Grundrechtsausübung der Bürger.“
Außerdem stellte das Gericht klar:
„Ein Amtswalter, der am politischen Diskurs teilnimmt, hat (…) seine Äußerungen an dem Gebot eines rationalen und sachlichen Diskurses auszurichten. Das schließt eine Meinungskundgabe durch symbolische Handlungen nicht aus, fordert aber den Austausch rationaler Argumente, die die Ebene argumentativer Auseinandersetzung nicht verlassen.
Staatliche Amtsträger dürfen ferner in der öffentlichen Diskussion Vertreter anderer Meinungen weder ausgrenzen noch gezielt diskreditieren, solange deren Positionen die für alle geltenden rechtlichen Grenzen nicht überschreiten, namentlich nicht die allgemeinen Strafgesetze verletzen.“
Mit dem Neutralitätsgebot für Kommunal- und Bundespolitiker befassen sich Richter immer wieder aufs Neue. Weitere Beispiele:
- Unter dem Motto „Rote Karte für Merkel“ hat die AfD im Jahr 2015 eine Versammlung abgehalten. Darauf reagierte die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka mit einer Pressemitteilung. „Die rote Karte sollte der AfD und nicht der Bundeskanzlerin gezeigt werden“, schrieb die Ministerin und warf dem AfD-Politiker Björn Höcke vor, der Radikalisierung der Gesellschaft Vorschub zu leisten. Das war rechtswidrig, entschied das Bundesverfassungsgericht. Zwar dürfe die Regierung Kritik an ihrer Arbeit sachlich zurückweisen, sie dürfe aber nicht zum Gegenschlag ausholen.
- Zulässig war dagegen die Äußerung der damaligen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, die in einem Zeitungsinterview 2014 sagte: „Ziel Nummer 1 muss sein, dass die NPD nicht in den Landtag kommt.“ Schwesig habe keine amtliche Autorität in Anspruch genommen und sich nicht als Mitglied der Bundesregierung geäußert, urteilte das Bundesverfassungsgericht.
- Auch mit einer Klage gegen den Bundespräsidenten Joachim Gauck scheiterte die NPD im Jahr 2014. Gauck hatte auf einer öffentlichen Veranstaltung zu einem möglichen Verbot der NPD gesagt: „Wir können die Partei verbieten, aber die Spinner und die Ideologen und die Fanatiker, die haben wir dann nicht aus der Welt geschafft.“ Das Bundesverfassungsgericht wertete die Wörter Spinner, Ideologen und Fanatiker – im Kontext der Aussage – als Sammelbegriffe für Menschen, die für rechtsradikale und antidemokratische Überzeugungen eintreten.
- Im Jahr 2010 rief der damalige Oberbürgermeister von Gera, Norbert Vornehm (SPD), zum Protest gegen ein Rechtsrockkonzert der NPD auf. Der Aufruf wurde im „Kommunalen Anzeiger“ veröffentlicht. Die NPD setzte vor dem Verwaltungsgericht Gera per Eilverfahren eine Einstweilige Anordnung durch, derartige Aufrufe zu unterlassen. Die Äußerung im Stadtblatt sei nicht als private Meinungsäußerung zu werten, so das Gericht.
Amt oder nicht Amt? – Das ist die Frage
In einer Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages heißt es:
„Problematisch sind nur Äußerungen, die ein Hoheitsträger in seiner hoheitlichen Funktion tätigt.“ Das war mit dem Aufruf zur Demo in Unna explizit gegeben. Denn: Ein Amtsbezug sei z. B. dann gegeben, … „wenn die Äußerung auf der Internetseite … einer Stadtverwaltung publiziert wird…“ Auf der Website der Stadt Unna ist der Aufruf nach wie vor nachzulesen.
Heikel sei insbesondere, wenn sich ein Amtsträger zu Lasten einer anderen Partei äußere:
„Diffamierende Äußerungen und Werturteile, denen sachfremde Erwägungen zugrunde liegen, sind unzulässig“,
Auch Äußerungen über Gruppen und Personen unterlägen bestimmten Auflagen.
Zusammenfassung:
Amtsträger unterliegen im Hinblick auf den politischen Meinungskampf und Wettbewerb im Allgemeinen einem Neutralitätsgebot. Sofern sie also Möglichkeiten nutzen, die ihnen aufgrund ihres Amtes zur Verfügung stehen, wie etwa die offizielle Website oder einen Facebook-Account, oder wenn der Amtsinhaber ausdrücklich auf sein Amt Bezug nimmt, ist es nicht zulässig, sich für oder gegen eine bestimmte Partei auszusprechen (vgl. auch VG Köln, Urteil vom 12.10.2017, Az.: 4 L 4065/17).
Die Frage der Verfassungsfeindlichkeit der AfD in NRW
Anders als in 4 anderen Bundesländern gilt der NRW-Landesverband der AfD bisher nicht als gesichert rechtsextremistisch.
In NRW wurde Ende vorigen Jahres die AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ als „Verdachtsfall“ eingestuft. Die Junge Alternative ist als Verein organsiert. „Bei der JA NRW sowie ihren regionalen Teilorganisationen liegen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht vor, dass diese Bestrebungen verfolgen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten“, teilte das Land NRW am 12. Dezember 2023 mit. Innenminister Herbert Reul erklärte dazu: „Der NRW-Verfassungsschutz hat akribisch geprüft und die Junge Alternative Nordrhein-Westfalen als Verdachtsfall eingestuft. Es liegen verdichtete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Junge Alternative nicht nach demokratischen Spielregeln spielt, sondern das eigene rechtsextremistische Regelwerk vorzieht. Der NRW-Verfassungsschutz beobachtet daher von jetzt an die Junge Alternative.“ Unabhängig von der fachlichen Bewertung müsse man sich jedoch mit der Jugendorganisation der AfD politisch auseinandersetzen. „Dafür müssen wir als politisch Verantwortliche gute Politik für die Menschen in diesem Land machen.“ Ein Verbotsverfahren gegen die gesamte Partei lehnte Reul erst Mitte voriger Woche ab. Das löse das Problem nicht, sagte der CDU-Politiker in Düsseldorf. Das Problem sei, „dass in dieser Gesellschaft sich etwas verändert hat, was man anders bekämpfen muss. Ich habe Sorge, das haben wir bei anderen Verbotsverfahren schon erlebt, dass ein Verbot das Gegenteil bewegen kann. Es kann auch dazu führen, dass Märtyrerrollen entstehen und man die Sache nur noch verschlimmert“, so Reul im Innenausschuss des Landtags.
[…] Hat der Verwaltungschef damit und mit dem vorherigen Aufruf zur Demo-Teilnahme auf der städtischen Homepage gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen? Diese Frage beleuchten wir in einem Folgeartikel HIER. […]
Schert sich noch jemand um solche „Kleinigkeiten“ in Zeiten von Mordaufrufen gegen Menschen mit unliebsamer Meinung?
Und dieselben Menschen, die auf dieser „Demonstration“ (eigentlich Propagandaveranstaltung) waren, hätten vor zwei Jahren liebend gerne Ungeimpfte in Lager gesteckt.
Zudem würde ich jede Wette halten, das wenn man das Steueraufkommen der „Demonstranten“ welche in produktiven Berufsfeldern (also abseits von Asylindustrie etc) arbeiten zusammenrechnen würde, man davon nicht einen einzigen „Flüchtling“ davon ein Jahr versorgen könnte.
Denn die Produktiven (also der Mittelstand (Landwirte/Logistiker/Handwerker)) demonstrieren derzeit gegen die Folgen der ideologiegesteuerten Politik.
Vielleicht ist mir da was entgangen, wo waren denn diese vielen „Gratismutigen“ am 07.Oktober oder in den Tagen danach?
Da es wirklich mehr als ein beispielhafter Beleg ist, wo der Runde Tisch in Unna intellektuell steht, halte ich es für journalistisch aussagekräftig und gebe auch die Empfehlung weiter:
Klaus Koppenberg, bisher langjähriger Sprecher des Runden Tisch empfiehlt am 26.01. (öffentlich) auf der Facebookseite vom Rundblick Unna zur Lösung auf die Demo das Aufeinandertreffen einer Vereindeutigungskultur und einer Mehrdeutigkeitskultur !?
Dazu empfiehlt er ein Buch von Mai Thi Nguyen-Kim:
https://twitter.com/rosenbusch_/status/1751154142641291752?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctwgr%5Etweet
„Grüne Gentechnik ist doch ein geiler ScheiXX.“
Die Dame, die als unbekannte Chemikerin auf Youtube bei Kindern und Jugendliche durch ihre Impfpropaganda und Hetze gegen ungeimpfte bekannt wurde und viel Geld verdient hat. Die Dame, die praktisch alles an falschen Impf- und Maßnahmeversprechen der Regierung hart vetreten hat. Deren Ehemann eine gehobene Position bei Merck, einem großen deutschen Chemie- und Pharmakonzerne, innehat. Sie wurde für ihre Propagandaarbeit von der Regierung ausgezeichnet.
Im Hintergrund finanziert und aufgebaut durch GEZ Gebühren vom ZDF.
Dort holt der über 10jährige ehemalige Sprecher des Runden Tisch Unna nun seine gesellschaftlichen Argumente im Kampf gegen Rechts her. Man kann wohl davon ausgehen, das die Dame in diesen Kreisen einen gewissen intellektuellen Stellenwert hat.
Nicht Brecht, Hesse, Böll, Marx, Adorno, Voltaire, Hannah Arendt oder Popper.
Sondern ein Buch von Mai Thi Nguyen-Kim mit dem Titel „die größten Streitfragen wissenschaftlich geprüft“.
Das Buch klärt alles :-).
[…] Kundgebung „für Demokratie und Vielfalt“ in Unna und die objektiv zu hinterfragende Rolle des Bürgermeisters als Demo-Aufrufer und -Redner – Vorwürfe […]