Der Stadt Bestes: Hohle Phrasen von Würde und die Würde des Unnaer Bürgers lächelnd mit Füßen getreten

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Die Stadthalle Unna am Abend der konstituierenden Ratssitzung am 20. 11. 2025. - Foto RB
  • Ein Meinungsbeitrag unserer Redaktion zur konstituierenden Sitzung des Stadrates Unna am 20. 11. 2025.

Gewichtige Worte von staatstragender Verantwortung, vom Schutz der Demokratie und der Würde von Amt und Anlass schweben zu Beginn einer neuen Ratsperiode stets über die Zuhörerreihen, optisch unterstrichen von andächtigen Gesichtern und dem Anlass entsprechend gewählter festlicher Gardeorobe. Wohl selten aber klafften erklärter Anspruch und Realität gleich in der ersten Sitzung des neu gewählten Unnaer Stadtparlamentes derart auseinander wie bei der konstituierenden Ratssitzung am frostig kalten 20. November 2025 in der Erich-Göpfert- Stadthalle.

Dass neben den lokalen Medien auch ein Fernsehteam des WDR zur Stelle war und drehte, war der AfD geschuldet, die bekanntlich erstmals in den Unnaer Rat eingezogen ist und sich entsprechend im Scheinwerferlicht wiederfand, noch bevor die Politik ihre Arbeit überhaupt aufgenommen hat. Was dieses Aufsehen konkret bezwecken sollte, blieb dem Betrachter verborgen, es sei denn, man hoffte seitens des Senders tatsächlich darauf, in Unna live die Verkündigung einer Brandmauer mitzuerleben solcher Art, wie sie jüngst dem Rat in Dortmund um die Ohren geflogen ist, nachdem die Bezirksregierung seinen Mauerbau zur AfD wegen undemokratischen Agierens zweimal und damit final zurückgepfiffen hat.

Das Wort Brandmauer fiel in der konstituierenden Unnaer Sitzung gleichwohl, und zwar in der „Einwohnendenfragestunde“. Dies gegenderte Unwort ist noch der grünschwarzen Abstimmungsgemeinschaft der letzten Ratszeit geschuldet und blieb unhinterfragt stehen, wie manches andere auch unhinterfragt stehenblieb – dazu später noch.

In dieser „EinwohnENDEN“-halben Stunde, die einzig Alt-Ratherr Klaus Tibbe (SPD) in seiner Ansprache zur Vereidigung des alten und neuen Bürgermeisters dankenswerterweise in „Einwohnerfragestunde“ abkorrigierte, meldeten sich hintereinander drei einwohnende „Omas gegen Rechts“ mit der jeweils identischen Einwohnendenfrage: Der frisch wiedervereidigte Bürgermeister möge bitte hier und jetzt die Frage der Brandmauer zur AfD beantworten.

Der frisch wiedervereidigte Bürgermeister hütete sich, Derartiges zu tun, und gab dem Großmüttertrio statt dessen knapp die Auskunft, er habe keine Kenntnis über mögliche Abgrenzungstendenzen im Rat. Dann gab er noch pflichtschuldig Auskunft auf die Frage, wieviel Geld denn die vom Bürger neu in den Rat gewählten sieben AfD-Vertreter bekommen. Nämlich schlicht genau so viel, als wären sie in irgend einer anderen Partei.

Diese mittlere fünfstellige Summe für die siebenköpfige Unnaer AfD-Fraktion wird man vermutlich irgendwann auf einem Plakat einer der kommenden „Demos gegen Rechts“ wiedersehen, wogegen natürlich nichts zu sagen ist, es herrscht Meinungsfreiheit und das Recht, zu demonstrieren für und gegen wen auch immer.

Allerdings hätte man sich auch eine andere Summe so kritisch hinterfragt gewünscht, die dem Unnaer Steuerzahler in dieser in Würde gleichsam erstarrten Ratssitzung unbefragt aufgebürdet wurde: nämlich die für gleich drei (3!) Stellvertreter für einen CDU-Bürgermeister, der mit der Würde seines Amtes offenbar heftig überfordert ist, oder wozu brauchte er sonst gleich drei Stellvertreter?

Wozu braucht eine mittelgroße Kreisstadt überhaupt gleich vier (4) Bürgermeister? Diese Frage kam weder aus der anwesenden Einwohnendenschaft noch aus der Runde der frisch angetretenen Ratsvertretenden (wenn schon falsch gendern, dann bittekonsequent, lieber Stadtrat), sieht man von WfU-Fraktionschef Sven Arnt ab, der sich als einziger zu diesem fragwürdigen Passus in der Hauptsatzung des Rates wacker erklärte: Diese Aufblähung von zwei auf drei Vizebürgermeister habe WfU zusammen mit der anderen Wählergemeinschaft, der FLU, schon nach der Kommunalwahl 2020 massiv kritisiert, als ein Dreiergestirn zumindest noch durch nackte Zahlen Sinn ergab.

SPD, CDU und Grüne bekamen vom Wähler damals die identische Zahl von Mandaten beschert, nämlich 13. Also gab´s dann auch drei passend gefärbte Vizebürgermeister, einen grünen, einen roten und einen schwarzen.

Nun gut. Fünf Jahre später liegt der Fall aber völlig anders. Die Grünen finden sich fast halbiert wieder, die wiedererstarkte SPD hat mehr als doppelt so viele Sitze (17) wie die Grünen und die CDU exakt das Doppelte (16). Das hinderte die vom Wählervotum offenbar ziemlich düpierte Grünenpartei jedoch keinesfalls daran, erneut einen Bürgermeisterstellvertreterposten für sich zu beanspruchen, was man natürlich schon wusste, als vor der Stichwahl zwischen Dirk Wigant und Hartmut Ganzke plötzlich auf den Plakaten des gescheiterten grünen Bürgermeisterkandidaten die Wahlaufrufe „Wigant wählen!“ prangten.

Keine Leistung ohne Gegenleistung. So kennt man das Pöstchengeschiebe der Unnaer Politik leidlich seit jeher.

Dass sich nun aber auch die frisch wiedererstarkte SPD direkt wieder für dieses würdelose Geschacher hergab und das opulente Vizebürgermeister-Dreierpaket wortlos mit absegnete, kann schon kräftig ernüchtern. Hatte man nach der ordentlichen Oppositionsarbeit der Genossen in den letzten fünf Jahren eigentlich gehofft, die SPD Unna habe endlich verstanden: Der Bürger möchte schlicht und einfach bürgernahe, pragmatische Politik, und er hasst es, das Gefühl zu bekommen, alle fünf Jahre als Stimmvieh kräftig abgemolken zu werden und dann wieder für die nächsten fünf Jahre im muffigen Stall zu verschwinden.

Hatte die SPD vielleicht Angst, sie könnte bei Widerspruch gegen eine grüne Nummer 3 den grünen Zorn auf sich laden und ihre eigene Nummer 1 nicht durchbringen? Gab es Furcht vor Rachegelüsten, gab es gar offene Drohungen?

Man weiß es nicht. Was man weiß, ist, dass es hinter den Kulissen durchaus auch heftigen Widerspruch von Genossen gegen diesen unverständlichen Kniefall vor dem grünen Wahlverlierer gab, wobei dieser Kniefall ja nur deshalb überhaupt möglich wurde, weil der AfD ihr entscheidender achter Ratsherr kurz nach der Wahl von der Fahne ging und sie jetzt nur noch zu siebt ist.

Was wäre denn passiert, wäre es bei jeweils acht für Blau und Grün geblieben? Hätte die AfD dann selbst noch einen Vizebürgermeisterkandidaten aufgestellt, was übrigens ohnehin jede Partei das Recht hat, zu tun? Wäre es am Ende gar zur Kampfabstimmung zwischen Grün und Blau gekommen, und das noch geheim, womit das Ergebnis der bösesten Gerüchteküche Tor und Tür geöffnet hätte?

Man kann der ehemaligen Nummer 8 der AfD, Christof Tuneke aus Massen, letztendlich nur dankbar sein, dass er den neuen Stadtrat wenigstens vor diesem Abgrund der Würdelosigkeit noch bewahrt hat.

Was bleibt, ist würdelos genug. Der Unnaer Bürger und Steuerzahler wird die rein repräsentativen Aufgaben seiner drei Bürgermeisterstellvertreter auf die gesamte Ratszeit gerechnet ungefragt mit üppigen mit 157.320 Euro finanzieren. Von den Parteien gab es weder ein Wort der Erklärung dafür, wieso es denn auch diesmal wieder drei sein müssen, noch hätte vor der geheimen Abstimmung überhaupt irgend jemand noch ein Wort zu dieser Wahl verloren, wäre da nicht der Fraktionsvorsitzende der AfD gewesen mit der nachvollziehbaren Frage, ob sich denn die drei Kandidaten nicht bitte wenigstens kurz vorstellen mögen, da man sie als Neulinge im Rat schließlich nicht kenne?

Das brachte ihm ein infantiles „ihr habt auch ja auch nicht vorgestellt“-Gezische aus der linken Sitzecke ein, was der Bürgermeister dezent ignorierte und denn gestattete, dass Burkhard Böhnisch, Bernhard Albers und Esther Schriek nacheinander kurz aufstanden und fröhlich in die Runde winkten: Hallo, ich bin der und ich bin die und ich freue mich drauf!

Das war´s dann schon und die Sache war erledigt, wie sie es natürlich schon vor Wochen gewesen war. Dass auch die neue Linke-Volt-Fraktion kein Problem damit hatte, ihren Wählern gleich zum Start völlig überflüssige Mehrkosten aufzubrummen, sei nur als Randnotiz erwähnt.

Als kleiner Trost bleibt, dass mit den beiden erfahrenen und angesehenen Ortsvorstehern von Königsborn und Billmerich wenigstens zwei Vizebürgermeister gewählt wurden, die ihr Amt – um das überstrapazierte Wort final noch einmal zu bemühen – angemessen würdevoll ausfüllen werden. Über den Rest dieser Veranstaltung deckt man besser den Mantel des Schweigens. Suchet der Stadt Bestes, für ihre Bürger. Der Start, lieber neu gewählter Unnaer Stadtrat, ist euch denkbar missglückt.

  • Silvia Rinke, Redaktion Rundblick Unna

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