„Freude schöner Götterfunken“ als Wahlaufruf in Unna – „Dürfen als Deutsche niemals das Recht auf Asyl in Frage stellen“

8
2019
Blick über den vollen Rathausplatz, wo die Demonstration um 13.30 Uhr eröffnet wurde. (Foto RB)

Beethovens „Freude schöner Götterfunken“ schallte aus vielerlei Kehlen umgetextet über den Unnaer Rathausplatz, der vielstimmige Gesang rief dazu auf, wählen zu gehen am Sonntag in zwei Wochen und dann unter allen Umständen Demokratie und Vielfalt zu wählen.

Unter dem Motto „Unna für ein solidarisches Miteinander – Wir für Demokratie“ stand die Kundgebung mit anschließendem Zug durch die Innenstadt, mit der „Runde Tisch gegen Gewalt und Rassismus“ am Samstagnachmittag, 8. Februar, den Rathausplatz füllte.

Die ausgewiesene Demonstration „gegen Hass und Hetze“ sparte, anders als die Kundgebung im Vorjahr mit damals mehr als doppelt so vielen Teilnehmern, eine Beteiligung des Unnaer Bürgermeisters diesmal aus. Dirk Wigant als Mitglied der CDU hätte sich sonst verschiedenen Protestplakaten gegen seinen eigenen Kanzlerkandidaten gegenüber gesehen, der bekanntlich kürzlich im Bundestag schärfere Migrationsgesetze mit Zustimmung der AfD durchsetzen wollte.

Die Empörungswelle, die seither durchs Land wogt und Rotgrün im Endspurt des Wahlkampfs noch einmal Rückenwind für größere Mobilisierungen beschert, schlug sich bis einschließlich diesem Samstag nicht in den Wahlumfragen nieder. Die Merz-Union führt weiterhin mit um die 30 Prozent, SPD und Grüne kommen auf diesen Wert nur gemeinsam, die AfD verharrt auf Platz 2.

Die seit dem „Merz-Tabubruch“ mutmaßlich geschrumpfte Distanz der Union zur AfD und die angeblich von Merz beschädigte,wenn nicht gar bereits niedergerissene „Brandmauer“ wurde bei der Kundgebung in Unna nur verhalten auf einigen Plakaten thematisiert. So stand auf einem: „Demokratie, Menschenrechte – (Sch)Merz lass nach“, ein anderes verkündete: „Wer Demokraten ausgrenzt und mit Rechtsextremen paktiert, ist nicht mein Kanzler, Herr Merz!“

Undifferenziert wurde auch bei dieser Kundgebung wieder plakativ „rechts“ mit „rechtsradikal“ vermengt, ein junges Mädchen verkündete mit einem Katzencartoon „Mietzis statt Nazis“, eine ältere wähnt sich laut ihres Plakats bereits „5 vor 1933“. Und dass das Kreuz als christliches Symbol „keine Haken“ hat, musste auch bei dieser Demo offenbar wieder extra erwähnt werden, wobei großformatige Transparente der Kirchen wie im letzten Jahr diesmal ausgespart blieben.

Auch der Bürgermeister als Kundgebungsredner blieb diesmal ausgespart. Statt Dirk Wigant als Parteifreund von Friedrich Merz öffentlich in Verlegenheit zu bringen, übernahm die Grüne Vizebürgermeisterin Simone Hackenberg diesen Part der Begrüßung. Sie unterstrich den „zivilgesellschaftlichen“ Charakter der Veranstaltung, um gleichwohl hinzuzufügen: „Sie werden unter den Besuchern heute auch viele Vertreter der Politik sehen.“

Die sah man dann auch, unter deutlicher und wenig überraschender Dominanz der Grünen sowie der einen oder anderen Politprominenz, wie etwa SPD-Bundestagskandidat Oliver Kaczmarek aus Kamen.

Organisiert und angemeldet hatte der mit seiner Geschäftsführung im Bürgermeisterbüro angesiedelte Runde Tisch diese Kundgebung sehr kurzfristig vor erst 10 Tagen. Sprecherin Birgit Rottmayer lieferte den Zuhörern eine besorgte Bestandsaufnahme der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Lage und Stimmung.

Dass inzwischen für alles, was schlecht laufe im Land, pauschal „die Migranten“ verantwortlich gemacht würden, erinnnere „nur zu sehr an unsere NS-Vergangenheit“, so Rottmayer. „Rechtsextreme Aussagen, Gruppen und Parteien arbeiten sich in ganz Europa bis in die Mitte vor. Der Blick nach Österreich oder Ungarn zeigt, was drohen kann. Der Blick nach Amerika erschreckt noch mehr.“

Erschrecken müsse auch die Art, wie inzwischen die Migrationsdebatte geführt werde. Unter Anspielung auf die Asylverschärfungsforderungen von Union und AfD (keine Partei wurde explizit genannt) rief Birgit Rottmayer über den Rathausplatz: „Wie können Deutsche auf dem Hintergrund unserer Geschichte auf die Idee kommen, das Recht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention in Frage zu stellen!?“

Zustimmendes „Hört Hört!“ und „Jawohl!“-Rufe schallen ihr durch den Applaus entgegen.

Nach Rottmayers Meinung lenkt die Asyldebatte ab von „viel wichteren Themen“: von immer mehr Armut „in unserem reichen Land“, von Problemen bei der Bildung, der Wirtschaft, vom fragilen Frieden und der Klimakrise.

„Rechtsradikale und populistische Parteien haben darauf keine Antworten. Antworten auf diese Fragen können nur Parteien geben, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Hass und Hetze haben bei uns keinen Platz!“

Die große Bühne auf dem Rathausplatz nahm der Runde Tisch an diesem Samstag noch zum Anlass, öffentlich die „Omas gegen Rechts“ neu in ihrer Mitte zu begrüßen, die seit einigen Monaten in Unna mit einer Ortsgruppe vertreten sind. Laut Gründerin Charlotte Kunert, langjährige ehemalige Grünen-Fraktionschefin, sind bei den „Omas gegen Rechts Unna“ inzwischen „62 aktive Omas und Opas“ versammelt.

Nach dem Zug über Kloster- und Massener Straße zum Platz der Kulturen gab es abschließend noch einen Redebeitrag des Superintendenten des Ev. Kirchenkreises Unna, Dr. Karsten Schneider (Fotos unten: Ev. Kirchenkreis), der sich des Vorwurfs der Weltfremdheit verwehrte:

„Es ist nicht weltfremd, auf die verändernde Kraft von Nächstenliebe, Zuwendung und Integration zu setzen. Aber es ist weltfremd zu denken, dass wir mit Abschottung und Fremdenfeindlichkeit unsere Probleme lösen.“

Fotos von der Kundgebung auf dem Rathausplatz: RB Unna

8 KOMMENTARE

  1. Organisierte Demostrationen gegen Rechts sind bedauerlicherweise Demonstrationen gegen die Haltung der Mehrheit in Sachen Migration. Wäre Migration tatsächlich auf Basis eines neu auszuarbeitenden EU Rechtes, was nicht geschieht trotz Einreden seitens der Grünen und der SPD, oder auch der alten Abkommen wie Schengen und Dublin, müssen wir uns keine Sorgen über das weitere Aufsteigen der AFD machen. Wir brauchen eine andere Einwanderungspolitik – auch der Artikel 16. 2 ist nicht ein Durchreichungsartikel zu uns für andere EU Mitgliedsstaaten. Die überfällige Haltung von CDU/CSU ist bedauerlicherweise genau das was das Land braucht. Die Repräsentation der Haltung der Mehrheit der Deutschen. Grüne und SPD und Linke und verbundene Organisationen vertreten eigene Interessen, die sich eigentlich gegen die Mehrheit richten, und die AFD begünstigen. Diese Art der Demonstrationen bestärkt die meisten Wähler in ihrer Haltung – das dürften schon jetzt die Umfragen beweisen.

  2. War es wirklich eine Demo gegen rechts ?
    Oder doch nur eine weitere Wahlveranstaltung der Grünen?
    Warum haben so viele Menschen das Fünfpunktepapier falsch interpretiert?
    Herr Merz hat doch gefordert, dass gewaltbereite und bereits straffällig gewordene Migranten, festgestellt und in die EU Länder zurück müssen um dort weitergehend überprüft zu werden.
    Haben die Menschen vergessen, dass die Grünen schon mehrfach mit den Stimmen der AFD abgestimmt haben?
    Sicher war es nicht besonders Klug, diese Abstimmung notfalls mit den Stimmen der AFD durchzubringen, aber wenn alle anderen „demokratischen“ Parteien dann auf einmal gegen Vorschläge sind und eine Hetzkampagne gegen eine weitere Partei starten, dann führt das nur dazu, dass die rechten noch mehr Zulauf erhalten.
    Die wahren Probleme dieses Landes, können nur von Politikern gelöst werden, die wissen, wie Wirtschaft und Außenpolitik funktionieren. Hierbei haben die Parteien der Ampel sich bisher nicht mit Ruhm bekleckert.
    Wir brauchen hier die Migranten, weil der deutsche sich immer weiter von der Arbeit zurückziehen wird, vor allem von der, die er nicht machen möchte.
    So traurig das ist, aber alleine der Bildungsstand der Jugend ist in dieser Hinsicht bedauerlich.
    Herr Wigant wird schon wissen, warum er solchen Veranstaltungen fernbleibt.
    Wenn Untersuchungsausschüsse offenlegen, dass unsere letzten AKW´s mit bewusster Falschinformation stillgelegt wurden und in Unna Bürgerparks wichtiger sind, als Konsumenten und Geschäftsinhabern Parkplätze, zu nehmen, dann muss man als Partei der Grünen auch solche Veranstaltungen nutzen, um zu überleben.
    Leider hat es in den letzten Wochen einige davon in Unna gegeben.
    Das sollte uns auch mal bewusst werden.
    Als logisch denkender Mensch, sollte einem auch klar sein, wen man am 23.02. nicht wählt, dazu braucht es keine Demos, dafür sorgt ein Blick in unsere Geschichtsbücher, und die kann ich auch ohne grünen Einfluss lesen.

  3. Wenn das Thema nicht so Ernst wäre könnte man sich köstlich amüsieren.

    Eine Demonstration von Wählern die durch ihr Votum bei der letzten Wahl eine Faktenlage schufen die sie doch allzu gern nicht haben möchten.

    Andererseits aber durch ein „weiter so“ garantieren dass der Rechtsruck noch zunehmen wird.

    Dabei bezeichnen sie sich als Bürger der Mitte, folgen aber dem Aufruf linksgerichteter, radial ideologisch ausgerichteter Institutionen und Vereinen, bekräftigt durch eine ebenso rotgrüne, linksgerichtete Berieselung durch den ÖRR.

    Offensichtlich doch nicht in der realen Welt lebend wird das Thema der unbegrenztem, nicht mehr händelbaren Migration ignoriert.

    Im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung des GG-Artikels 16 faselt man von Recht auf Asyl und stellt alle Bürger und Politiker in die rechte Ecke die eben keine unberechtigte Einreise von Migranten (überwiegend) aus islamischen Ländern ohne Identitätsfeststellung und ohne Asylanspruch einreisen lassen wollen.

    Junge Männer mit patriarchalischen, frauenfeindlichen Denkmustern die danach in der Kriminalstatistik, besonders bei Sexualstraftaten, deutlich überrepräsentiert sind.

    Und wenn zunehmende Armut, Bildung, Wohnungsnot etc. genannt wird kann auch in diesen Fällen das Thema unbegrenzte Migration nicht ausgegrenzt werden.
    Zitat Arche-Gründer Siggelow: „Wenn die Grünen ihre Pläne zum Familiennachzug umsetzen, müssen wir Angst haben vor massenhafter Obdachlosigkeit und Kinderarmut in Deutschland.“
    In einer eindringlichen Videobotschaft plädiert er für eine Wende in der Migrationspolitik.

    Offensicht auch unbedeutend für diese Demonstranten dass hier Schutzsuchende zu tausenden in unseren Städten nach einem Kalifat rufen und bei pro-palästinensischen Demonstrationen zu Gewalt und Mord an Juden aufrufen.
    „Nächstenliebe“ ist da m.E fehl am Platz.

  4. Es gibt kein „Recht auf Asyl“.
    Es gibt lediglich das Recht, um Asyl zu bitten.
    Und laut Genfer Flüchtlingskonvention sind zwar bestimmte Flüchtlinge aufzunehmen, allerdings wird „Flüchtling“ auch definiert: Im ersten sicheren Nachbarland ist der Flüchtlingsstatus vorbei. Danach wird der „Flüchtling“ zum „Migranten“.

  5. Ich glaube viele der hier Kommentierenden, haben den Sinn der Demonstration nicht wirklich verstanden. Es geht um den Hass, der von der im Moment geführten, sehr aufgeheizten Debatte um Migration geschürt wird. Es werden stereotype, undifferenzierte und polemische Aussagen in die Welt posaunt, welche pauschal alle Migranten, ob Asylbewerber, Wirtschaftsflüchtlinge oder Gastarbeiter, als gewalttätige Verbrecher stigmatisieren. Und diese Unart wird mittlerweile auch von konservativen Polititkern übernommen. Dieser Hass wird damit normalisiert und das kann einem schon Angst machen. Mir zumindest machen manche Vertreter der AFD mehr Angst als die meisten Migranten. Welche Mittel sind diese Menschen bereit einzusetzen, um Menschen abzuschieben? Was lassen wir, das Volk, zu? Was sind wir bereit zu akzeptieren, um unsere Ängste zu beschwichtigen? Was kommt denn nach der Remigration?
    Es ist ein oft wiederholter Gedanke, aber er hat eben einen wahren Kern: Wir hatte das schon einmal und es war eines der abscheulichsten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte! Und den Grund für dieses Verbrechens hatte ein socher Hass gelegt, der jetzt durch viele Aussagen von rechten und leider, auch von eigentlich konservativen Politikern geschürt wird.
    Und ein Zeichen gegen diesen Hass zu setzen, dass ist der Grund, zu diesen Demonstrationen zu gehen.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here