40 Jahre Werkstatt im Kreis Unna: 35.000 Bürgergeldbezieher, 11.400 von ihnen arbeitslos – „das hat Gründe“

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Archivbild: Am Werkstatt-Kolleg Unna lernen Schüler aus 60 Nationen. (Foto Werkstatt-Kolleg)

Der Übergang von der Schule in den Beruf war und ist ein Drahtseilakt. Auf der einen Seite finden viele 100 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz, nicht wenige bleiben dauerhaft ohne Berufsabschluss.

Auf der anderen Seite klagen zahllose Unternehmen, dass sie keine geeigneten Azubis finden. Eine Situation, die es im Grunde schon seit 40 Jahren gibt. Und genau so lange kümmert sich die Werkstatt im Kreis Unna jährlich aufs Neue um Lösungen.

In diesem Jahr feiert die Einrichtung ihren 40sten Geburtstag.

In einer Pressemitteilung dazu blickt die Werkstatt zurück und hält Ausblick.

Freuen sich gemeinsam über den 40sten Geburtstag der Werkstatt: Volker König (stellvertretender Vorsitzender), Herbert Dörmann (Geschäftsführer), Gabi Meyer (Mitglied des Aufsichtsrates), Dagmar Kayser-Passmann (stellvertretende Vorsitzende) und Heike Gutzmerow (Vorsitzende). – Foto Werkstatt im Kreis Unna

Aus einer kleinen Unnaer „Jugendwerkstatt“ ist ein unverzichtbares Bildungs- und Beschäftigungsunternehmen für die Region geworden. Über 100.000 Menschen hat die Einrichtung seit ihrer Gründung 1984 mit ihren Angeboten erreicht.

Die Kennzahlen sprechen für die Bedeutung der Arbeit der Werkstatt: 4.500 Schülerinnen und Schüler nutzen jährlich an rund 60 Schulen die umfangreiche Potenzialanalyse und Berufsorientierung, die über 60 Fachleute der Werkstatt durchführen. Über 500 Beschäftigte arbeiten in den Bildungs-, Beschäftigungs- und Betreuungsangeboten, von denen jährlich 6.500 Menschen profitieren. Weitere 500 Fachkräfte engagieren sich bei der Werkstatt-Tochter Sozialpädagogische Initiative für die Förderung und Bildung von rund 1.500 Kindern in Ganztagsangeboten, in den fünf eigenen Kitas oder der Schulbegleitung.

Am Werkstatt-Berufskolleg unterrichten 55 Lehrkräfte aktuell rund 700 Schülerinnen und Schüler, darunter auch viele geflüchtete Jugendliche, die hier umfassend gefördert werden. In der eigenen stationären Jugendhilfeeinrichtung finden ebenfalls junge Menschen mit oftmals traumatischen Fluchterfahrungen eine neue Heimat. Und die eigene staatlich anerkannte Pflegeschule hilft seit Jahren beim Fachkräftenachschub im Pflegebereich der Region.

Rund 35 Mio. Euro an Fördermitteln wirbt die Werkstatt jährlich zugunsten dieser Arbeit in der Region ein.

„Der Auf- und Ausbau der Arbeit in den vergangenen Jahrzehnten war turbulent und immer herausfordernd“, sagt die Werkstatt-Vorsitzende Heike Gutzmerow: „Die ständigen Veränderungen in der Förderlandschaft, immer wieder neuerlichen Kürzungswellen in der Bildungs- und Beschäftigungspolitik beschränken das Engagement auch heute und wohl auch absehbar in der Zukunft.“

Dabei ist der Handlungsdruck im Kreis Unna erheblich:

Etwa 35.000 Menschen leben in unserem Kreis vom Bürgergeld. 11.400 davon sind arbeitslos. Ein Grund sind fehlende Arbeitsplätze, ein anderer Grund ist die unzureichende Qualifikation für vorhandene Arbeitsstellen oder bei Geflüchteten oftmals die fehlende Sprachkenntnis.

Fast 5.000 Menschen im Kreis Unna sind auf das Bürgergeld angewiesen, obwohl sie erwerbstätig sind. Etwa die Hälfte dieser sogenannten Aufstocker sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, und können vom erzielten Einkommen nicht leben. 

„Das ist dramatisch für die Menschen, das ist aber auch dramatisch für die kommunalen Haushalte“, erklärt Werkstatt-Geschäftsführer Herbert Dörmann. Diese Not nimmt dem Kreis und seinen Kommunen als strukturelles Defizit zusammen mit der Umlage an den Landschaftsverband fast jede Handlungsfähigkeit.

Gleichzeitig geht schon ein wachsender Teil junger Menschen ohne Berufsabschluss in die absehbare Perspektivlosigkeit.

„22 % der jungen Menschen zwischen 18 und 34 besitzt keinen Berufsabschluss, und genau diese Personengruppe ist dann am stärksten von Arbeitslosigkeit bedroht“, erklärt der Werkstatt-Chef.

Auch hier steuert die Werkstatt mit zahlreichen Angeboten gegen – im Schulterschluss mit 1.500 Betrieben, mit denen sie in der Region kooperiert. Mit NRW-Landes-Programmen wie „Ausbildungswege“ oder „Übergangslotsen“ suchen die Fachleute der Werkstatt für Betriebe die passenden Azubis, für junge Menschen die passende Lehrstelle. Beide Seiten profitieren auch nach einem geglückten Ausbildungsstart von der Unterstützung.

In den vergangenen 40 Jahren hat sich die Werkstatt mit immer neuen Innovationsprojekten gegen Berufsnot und Armut gestellt. Viele der in Unna und im Kreis Unna entwickelten Konzepte wurden inzwischen landesweit als Regelangebot übernommen.

Parallel hat die Werkstatt in Stadt und Kreis auch viele Projekte angestoßen, die nachhaltig blieben.

  • Die Kompostieranlage des Kreises, die heute die GWA führt, entstand in jungen Werkstatt-Jahren als Projekt, das Langzeitarbeitslosen Arbeit gab.
  • Bei der Sanierung des ehemaligen Stadtwerke-Geländes an der Zechenstraße wurden in Zusammenarbeit mit Baufirmen neue Beschäftigungsformen erprobt.
  • Gleich nebenan wuchs ein Mehrgenerationenhaus in einer Verbindung von Arbeit, Ausbildung und Qualifizierung.
  • Stadtweit wirkt bis heute eine Modellmaßnahme, die Natur- und Umweltschutz mit Arbeitsmöglichkeiten für Menschen verbindet, die zuvor lange Zeit arbeitslos waren.
  • Im Bornekamp pflegen sie naturnahe Grünanlagen, im Kurpark pflasterten sie Wege und legten Beete an.

Frühzeitig engagierte sich die Werkstatt auch für den Berufseinstieg von Frauen, insbesondere auch von alleinerziehenden. Eine Modellausbildung für Zerspanungsmechanikerinnen wie Ausbildungen in Floristik oder Pflege führten und führen die Absolventen in sichere Jobs, die auch mit der Kinderbetreuung vereinbar sind.

Für benachteiligte Menschen kämpft die Werkstatt auch bei der Tafel, die seit sich 2023 unter dem Werkstatt-Dach befindet. Hier erhalten nicht nur 2.600 bedürftige Personen in 8 Ausgabestellen Obst und Gemüse. Mit Hilfe der Arbeitsförderung des Jobcenters kann die Werkstatt den bedürftigen Kunden auch regelmäßig ein Frühstück oder ein warmes Mittagessen anbieten.

PM Werkstatt im Kreis Unna

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