Ein weiteres Bürgerbegehren für Unnas Eishalle – diesmal für einen Neubau an alter Stelle, denn die bisherige Halle ist bekanntlich abgerissen worden – sei „rechtlich unzulässig“.
Das teilte Bürgermeister Dirk Wigant (CDU) in der letzten Ratssitzung dieses Jahres am 7. 12. dem Stadtrat mit.
Die Verwaltung, so Wigant, habe zu dem angezeigten Begehren ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses komme zu dem Schluss, dass ein Bürgerentscheid zum Bau einer neuen Halle nicht rechtmäßig sei.
Unverzüglich konterte in einer Pressemitteilung vom heutigen Freitag, 8. 12., die Bürgerinitiatve „Unna.braucht.Eis“ zu dem erwähnten Gutachten und Wigants Behauptung. Wir geben beide Statements hier im Wortlaut wieder.
Stellungnahme der Stadt Unna:
„Drei Initiatoren hatten im August 2023 angekündigt, ein Bürgerbegehren für den Neubau einer Eissporthalle am Standort der abgerissenen Halle in Königsborn starten zu wollen. Am Donnerstag, 7. Dezember, informierte die Stadtverwaltung die Initiatoren darüber, dass die Beantragung eines solchen Bürgerbegehrens rechtswidrig und daher vom Rat der Kreisstadt Unna abzulehnen wäre. Anschließend informierte Bürgermeister Dirk Wigant darüber im öffentlichen Teil der Ratssitzung.
Vorausgegangen war ein Hinweis aus dem städtischen Rechtsamt, wonach es sich bei dem angekündigten Bürgerbegehren nicht um ein initiierendes, sondern um ein kassatorisches Bürgerbegehren handeln könnte. Um diese Rechtsauffassung durch unabhängige Fachleute überprüfen zu lassen, gab die Stadtverwaltung ein Gutachten bei der Kanzlei Baumeister in Münster in Auftrag, welches nun vorliegt.
Die Juristen kommen darin zu dem Schluss, dass es sich um ein kassatorisches Bürgerbegehren handelt. Ob ein kassatorisches Bürgerbegehren vorliegt, richtet sich danach, ob das Bürgerbegehren mit seinem Inhalt materiell auf die Aufhebung, Änderung oder Ersetzung eines Ratsbeschlusses gerichtet ist, oder ob es ein völlig neues Vorhaben zum Gegenstand hat, das mit bestehenden Beschlüssen des Rates oder der zuständigen Ausschüsse nicht kollidiert.
Anders ausgedrückt, würde ein initiierendes Bürgerbegehren gleichsam ein neues, unbestelltes Feld bearbeiten, während ein kassatorisches Bürgerbegehren in vom Rat getroffene Regelungen eingreift, um sie aufzuheben oder zu ersetzen. Diese Abgrenzung hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster im Jahr 2018 vorgenommen und sie kommt beim beabsichtigten Neubau einer Eissporthalle am Standort der ehemaligen Halle zum Tragen.
Denn nach dem erfolglosen Bürgerentscheid zur Sanierung der Eissporthalle im Jahr 2022 setzte der Rat einen ausgesetzten Beschluss von 2018 wieder in Kraft. Dieser sieht vor, die Grundstücke der Eissporthalle einer Wohnbebauung zuzuführen.
Das Bürgerbegehren bearbeitet also kein „unbestelltes Feld“, sondern richtet sich gegen einen Ratsbeschluss. Im Gutachten heißt es dazu wörtlich: „Gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 und 2 GO NRW muss ein Bürgerbegehren, das sich gegen einen Beschluss des Rates richtet, innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntmachung des Beschlusses eingereicht sein; gegen einen Beschluss, der nicht der Bekanntmachung bedarf, beträgt die Frist drei Monate nach dem Sitzungstag. Die Ratsbeschlüsse vom 28.06.2018 und 23.06.2022 bedurften keiner Bekanntmachung, so dass die 3-Monats-Frist gilt.“
Das bedeutet: Die Frist, innerhalb derer ein Bürgerbegehren gegen die Ratsbeschlüsse zulässig gewesen wäre, ist abgelaufen. Es wäre deshalb unzulässig und der Rat müsste einen entsprechenden Antrag ablehnen.
Wigant kündigte in der Ratssitzung an, das Gutachten auch den Fraktionen zur Verfügung zu stellen.“
Stellungnahme von Unna.braucht.Eis
„Offensichtlich greift bei der Stadtspitze einmal mehr die schiere Panik vor dem Bürger um sich, so dass man dort flugs eine Anwaltskanzlei beauftragt, um lästige basisdemokratischen Bestrebungen im Keim zu ersticken.
Was ist geschehen?
Mehrere Mitglieder des Vereins UNNA.braucht.EIS haben gegenüber der Stadt die Absicht angezeigt, ein Bürgerbegehren auf den Weg zu bringen. Dieses sollte den Neubau einer Eishalle am Bergenkamp als Sport- und Begegnungsstätte für Jung und Alt zum Gegenstand haben.
Langer Tradition folgend zerbricht man sich nun im Bürgermeisterbüro die Köpfe darüber, wie man dieses Vorhaben am besten torpedieren kann und kommt (wieder einmal) zu dem Ergebnis, dass es eine Anwaltskanzlei richten soll. Also wurde kurzerhand die renommierte Anwaltskanzlei Baumeister aus Münster damit beauftragt, Gründe für die gewünschte Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens zu finden.
Den Vorteil, den man sich bei der Stadt mutmaßlich davon verspricht: Die Prüfung durch die Kanzlei verleiht der Position der Stadtspitze zusätzliches Gewicht und erweckt den Anschein von Objektivität.
Zugegeben: Die beauftragte Kanzlei Baumeister verfügt über ein hervorragendes Renommee und gilt gerade im Verwaltungsrecht als ausgesprochen versiert. Entsprechend üppig lässt sich die Kanzlei ihre Dienste allerdings auch vergüten.
Stundensätze von 250-300 Euro sind bei vergleichbaren Großkanzleien eher die Regel als die Ausnahme. Verschwendetes Geld, da die Stadt (1.) selbst über gleich mehrere Juristen verfügt, die sich eigentlich im Bereich des hier maßgeblichen Kommunalrechts bestens auskennen müssten und (2.) sich das Gutachten auf lediglich etwa eineinhalb der insgesamt 9 Seiten rechtsgutachterlich äußert.
Der Rest des Textes ist Sachverhaltsbeschreibung und die abstrakte Beschreibung der Rechtslage. Beides sollte den Juristen der Stadtverwaltung und eigentlich auch dem Bürgermeister hinlänglich bekannt sein.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass man sich in dem Rechtsgutachten auf einen vermeintlich verbindlichen Beschluss der Stadt beruft, der das ehemalige Eishallengrundstück angeblich verbindlich für die Errichtung für Wohnbebauung vorsehen soll. Zugleich widerlegt die Stadtspitze diese Argumentation aber selbst, indem sie ganz aktuell Feuerwehr, Kita und Schule auf dem Gelände plant. Ein Schelm, wer hier einen Widerspruch sieht?
Schaut man sodann in die eigentlichen rechtlichen Ausführungen des vorgelegten Gutachtens, so fällt auf: Die Anwälte selbst scheinen sich ihrer Sache nicht sonderlich sicher zu sein. Dort lesen wir gleich mehrfach die Wendungen „unseres Erachtens“ und „nach hiesiger Einschätzung“. Klare Indizien dafür, dass die rechtliche Bewertung beileibe nicht so eindeutig ist, wie uns der Bürgermeister gerne weismachen möchte.
Natürlich haben wir Verständnis für diese ebenso durchschaubare wie kostspielige Manöver der Stadtspitze.
Immerhin hat der glücklos agierende Bürgermeister schon beim Umgang mit dem erfolgreichen Bürgerbegehren zum Erhalt der alten Eishalle keinen rühmlichen Eindruck hinterlassen, indem er die eindeutige basisdemokratische Entscheidung schlicht nicht umgesetzt hat.
Hatte er im Kommunalwahlkampf noch getönt, dass es mit ihm kein weiteres Bürgerbegehren geben werde, weil er den Interessenausgleich anderweitig erreichen wird, sieht er sich jetzt einem weiteren Bürgerbegehren gegenüber, mit dessen Management er offenkundig überfordert ist.
So hielt er es nicht einmal für erforderlich, sich persönlich mit den Initiatoren zu treffenm und schickte zum Auftaktgespräch seinen Beigeordneten. Er selbst ließ sich kurzfristig entschuldigen.“
Ingo Malak, UNNA.braucht.EIS
- Über den Verfasser: Ingo Malak ist Volljurist und leitet eine behördliche Rechtsabteilung. Er ist Gründungsmitglied von UNNA.braucht.EIS.
[…] Als „haltlos“ bezeichnet Bürgermeister Dirk Wigant (CDU) die Vorwürfe der Bürgerinitiative „Unna braucht Eis“ zur Einschätzung des geplanten dritt… […]