Ganztagsfachkraft der Grundschulen: Werkstatt, SPI und Berufskolleg bieten gemeinsam Qualifizierung

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Als 18jähriger floh Saad Almurad 2014  vor dem Terror des „Islamischen Staates“ aus dem Irak. Dort wurde er als Jeside von den  Mörderkommandos verfolgt. Heute kümmert sich der 27jährige als ausgebildete Fachkraft im Ganztagsangebot der Unnaer Nicolaischule um die Förderung der sechs- bis zehnjährigen Kinder. (Foto Werkstatt im Kreis Unna)

Perspektive in einem absoluten Mangelberuf:

Als 18jähriger floh Saad Almurad 2014  vor dem Terror des „Islamischen Staates“ aus dem Irak. Dort wurde er als Jeside von den  Mörderkommandos verfolgt.

Heute kümmert sich der 27jährige als ausgebildete Fachkraft im Ganztagsangebot der Unnaer Nicolaischule um die Förderung der sechs- bis zehnjährigen Kinder.

Dass er „Kinder aus ganzem Herzen liebt“, dass er den Unnaer Sprösslingen die Förderung und den Schutz geben will, den er und die anderen Minderjährigen in seiner Heimat nicht hatten, das sieht man direkt. Spiele austeilen, bei Hausaufgaben helfen, auf dem Schulhof mal toben: „Kinder sollen ja ihre Kindheit genießen können, das ist doch ihre und unsere Zukunft“, sagt er.

Saad Almurad gehört zu den Fachkräften, die nicht nur Unna jetzt braucht.

Ab 2026 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf die ganztägige Förderung von Kindern im Grundschulalter. „Wir rechnen damit, dass bis zu 80 Prozent der Eltern den nutzen wollen“, sagt Yvonne Gutzeit, Geschäftsführerin der Sozialpädagogischen Initiative Unna (SPI), die Träger von Ganztagsangeboten an 10 offenen Ganztagsschulen (OGS) im Kreis Unna ist.

Kreativprojekte finden bei schönem Wetter auch gern draußen statt. Foto Werkstatt

Das Angebot braucht nicht nur Räume, sondern vor allem Fachkräfte. Unter dem Dach der Werkstatt im Kreis Unna bündeln die Experten der SPI, die Qualifizierungskräfte der Werkstatt und das Werkstatt-Berufskolleg ihre Kapazitäten für die entsprechende Ausbildung.

In mehreren Stufen wird Interessenten seit drei Jahren erfolgreich die Ausbildung zur Fachkraft in der Offenen Ganztags-Grundschule sowie in der Schulbegleitung, zur Sozialassistentin und über drei Jahre mit Theorie und Praxis zur/zum staatlichen geprüften Erzieher geboten.

Saad Almurad, inzwischen festangestellt bei der SPI, landete über mehrere Umwege beim Ausbildungsangebot der Werkstatt: „Ich war zuvor Kommissionierer im Lager, Staplerfahrer bei Rhenus und auch mal Verkäufer in einem Minimarkt.“ Jobs, um Geld zu verdienen, aber eigentlich nicht sein Ziel:

„Ich wollte immer schon mit Menschen und für Menschen arbeiten, vor allem mit Kindern.“ Die Werkstatt-Ausbildung ebnete den Weg.

Das Angebot richtet sich insbesondere an Menschen, die gerne professionell mit Kindern arbeiten wollen und dazu keinen Einstieg oder Weg fanden, erklärt Doro Rengers, Abteilungsleiterin der Werkstatt. Ihnen könne so eine Perspektive auf einen sinnvollen Dauerarbeitsplatz geboten werden.

Genutzt wurde es von Umschüler, die aufgrund gesundheitlicher oder persönlicher Einschränkungen im bisherigen Beruf nicht weiterarbeiten konnten. Ebenso von Geflüchteten, die vielfach pädagogische Berufserfahrungen mitbrachten, aber weder ausreichende Sprachkenntnisse noch einen hier anerkannten Abschluss vorweisen konnten. Die jüngste Teilnehmerin, die sich erfolgreich zur Fachkraft im Ganztag qualifizierte, war 28 Jahre jung, die älteste 63 Jahre.

Sie absolvierten erfolgreich die sechsmonatige Qualifizierung, die neben der pädagogischen Ausbildung das einmonatige Praktikum in einer Grundschule enthält. Die Qualifizierung sei unverzichtbar für den Einsatz in den Grundschulen, erklärt Pia Hammerschmidt, Fachbereichsleiterin der SPI und damit für zehn OGS verantwortlich, die rund 900 Kinder fördern und bilden.

„Das ist eben kein Kindergeburtstag oder ein Spielenachmittag.“

Die Kinder bringen unterschiedliche Voraussetzungen und Bedürfnisse mit. In allen Schulen gibt es Kinder mit besonderem Förderbedarf.“ Unterstützung auf dem Bildungsweg der Kleinsten können die Fachkräfte nicht nur im Ganztagsangebot, sondern ebenso als Schulbegleiter im Unterricht leisten.

Sie können zudem auf die persönliche Werkstatt-Förderung bauen, wenn sie Hürden im persönlichen Lebensbereich blockieren. „Wir helfen bei Kinderbetreuung, Mobilität, Gesundheitsfragen wie finanziellen Problemen“, verspricht Nina Schmerfeld vom Werkstatt-Team.

Und wer sich noch weiter qualifizieren will, ist beim Bündnis von SPI, Werkstatt und Werkstatt-Berufskolleg an der richtigen Adresse: Eine dreijährige Ausbildung zur/zum Erzieher richtet sich an interessierte Menschen, die eine neue Perspektive suchen. Statt klassisch zunächst vollschulisch wird hier in der sogenannten Praxisintegrierten Ausbildung (PiA) ab Beginn der Theorieunterricht mit der Praxis kombiniert.

Montags ist Theorie-Unterricht, dienstags bis Donnerstag von acht bis elf Uhr Schule, danach direkt Praxis in einer der Ganztagseinrichtungen. Vorteil unter anderem für die angehenden Erzieher:

„Sie sind vom ersten Tag an angestellt und bekommen sofort eine Ausbildungsvergütung“, erläutert Marco Bunge-Wiechers von der Schulleitung des Berufskollegs. Das bildet zudem Sozialassistenten und Kinderpfleger aus, die nach zwei Jahren als Fachkräfte u.a. in Schulen und in der Kinder- und Jugendhilfe gefragt sind.

Saad Almurad  weiß noch nicht, ob er auch in diese Weiterqualifizierung einsteigt. Bisher ist er glücklich, und zudem häufig als Sprachhelfer und Dolmetscher gerade auch im Gespräch mit Eltern gefragt: „Ich spreche jesidisch, kurdisch, arabisch und natürlich deutsch. Damit helfe ich nicht nur bei Elterngesprächen, sondern zudem im kommunalen Integrationszentrum des Kreises.“

Wer sich für die Ausbildungsgänge interessiert, kann sich wenden an:


Pia Hammerschmidt

SPI, Hertingerstraße 95, 59423 Unna, Tel. 02303 90295-84, mail: p.hammerschmidt@spi-unna.de

Nina Schmerfeld
Werkstatt im Kreis Unna, Obere Husemannstr. 10, 59423 Unna, Tel. 02303 98190-28, mail: n.schmerfeld@werkstatt-im-kreis-unna.de

Marco Bunge-Wiechers
Werkstatt Berufskolleg, Nordring 39, 59423 Unna, Tel.: 02303 58889-20, mail: m.bunge-wiechers@werkstatt-berufskolleg.de

Hintergrund Werkstatt im Kreis Unna:

Unter dem Dach der Werkstatt arbeiten insgesamt sieben Tochterunternehmen für Ausbildung, Beschäftigung und sozialpädagogische Betreuung für benachteiligte Menschen. Rund 1450 Teilnehmer nutzen jährlich die Angebote, 500 Beschäftigte arbeiten in den Bildungs- und Betreuungsangeboten. Neben der Berufsvorbereitung und Berufsorientierung in der Schule engagiert sich die Werkstatt für die Ausbildung und Berufseinmündung nach der Schule. Sie kümmert sich auch mit Umschulungs- und Beschäftigungsangeboten um Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt bisher keine Chance hatten. Eine weitere wichtige Zielgruppe sind geflüchtete Jugendliche und Erwachsene, für die die Werkstatt neben Beratungsstellen u. a. auch Wohngruppen und Jugendhilfe-Angebote eingerichtet hat. Am eigenen Werkstatt-Berufskolleg unterrichten 40 Lehrkräfte aktuell rund 600 Schülerinnen und Schüler. In der SPI arbeiten 530 Fachkräfte für die Förderung und Bildung von rund 1.200 1.500 Kindern in Ganztagsangeboten, in den fünf eigenen Kitas sowie in der Schulsozialarbeit, Schulbegleitung und der Kinder- und Jugendhilfe.

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