Dass unangekündigt so oft abgestimmt werden konnte, wie man wollte, dass die Umfrage plötzlich vor der Zeit abgeschaltet worden sei – dies und ähnliche Ungereimtheiten bei der Onlinebefragung zum Reallabor Schulstraße (wir berichteten) weist die Stadtpressestelle samt und sonders zurück.
Die Umfrage betraf die durchaus strittige Frage: „Soll der ehemalige Parkplatz dauerhaft ein Park (bzw. Kinderspielplatz mit angrenzender Asphaltfläche) bleiben oder wieder, zumindest in Teilen, als Parkplatz genutzt werden?“
In einem Zwischenbericht hatte die Verwaltung die Zahl von einigen hundert Umfrageteilnehmern genannt und eine deutliche Zustimmung von über 70 Prozent zum Beibehalten des Platzes zum „Verweilen“.
Zur Kritik an der als unprofessionell bis gesteuert wahrgenommenen Onlinebefragung und zu ihrem abrupten Ende weist Stadtsprecher Kevin Kohues sämtliche Vorwürfe zurück. Die Redaktion bleibt bei ihrer Kritik.
„Dass die Bürgerbeteiligungsphase bis zum 15. September geht, haben wir auch zuvor genau so kommuniziert, und zwar beim Infoabend am 8. August und in einer Pressemitteilung vom selben Tag. Der Bürgermeister hat in der jüngsten HFA-Sitzung mitnichten davon gesprochen, dass die Online-Befragung bis zum 30. September laufe, sondern er sprach allgemein davon, dass das Reallabor noch laufe und deshalb noch keine Entscheidung über TOP 4.4 (Entsiegelung und Bepflanzung der zum Reallabor gehörigen Asphaltfläche, Anregung von Antje Bansi) möglich sei. Wir haben Ihre Anfrage zum Anlass genommen, diesbezüglich die Tonaufzeichnung der Sitzung zu prüfen.
Wir haben kommuniziert, dass die Bürgerbeteiligungsphase des Projekts am 15. September endet. Die Online-Befragung ist nur einer von mehreren Bestandteilen der Bürgerbeteiligung. Wie Sie richtig bemerkt haben, war die Teilnahme an der Online-Befragung noch einige Tage länger möglich. Vielen Dank für Ihren Hinweis, den wir zum Anlass nehmen, die nach dem 15. September eingegangenen Rückmeldungen in der Auswertung getrennt auszuweisen.
Die Befragung war zu keiner Zeit darauf angelegt, repräsentativ zu sein. Vielmehr ging es darum, über diesen und andere Wege den Bürgerinnen und Bürgern möglichst einfach und unkompliziert die Möglichkeit zu geben, ihre Meinung zu dem Projekt mitzuteilen. Neben der Online-Befragung war dies persönlich bei mehreren Vor-Ort-Veranstaltungen möglich, aber auch per E-Mail oder über den im Reallabor befindlichen Briefkasten. Viele Bürgerinnen und Bürger haben von diesen Beteiligungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht und sich konstruktiv in den Prozess eingebracht.
Die Stadtverwaltung wertet nun alle eingegangenen Rückmeldungen aus, um der Politik eine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben. Wie es mit der Fläche an der Schulstraße weitergeht, entscheidet also weder die Online-Befragung noch die Verwaltung, sondern diese Entscheidung hat allein der Stadtrat zu treffen.
Da Sie explizit nach den technischen Hintergründen der Befragung fragen: Wir haben bewusst von „bestmöglicher“ Verifizierung gesprochen – in der Tat ist diese mit gekürzte IP-Adressen nur eingeschränkt möglich. Wenn innerhalb weniger Minuten die immer gleichen oder sehr ähnliche Antworten auch in den Freifeldern kommen, fällt dies trotzdem auf.
Gleichwohl ist eine Mehrfachteilnahme somit nicht ausgeschlossen gewesen.
Wir haben uns aber bewusst dafür entschieden, eine Teilnahme an der Befragung einfach und direkt möglich zu machen, statt einen Registrierungsprozess vorzuschalten und Daten zu sammeln. Weil es, wie oben bereits geschildert, um ein Stimmungsbild als Entscheidungshilfe für den Stadtrat ging, und nicht um eine repräsentative Umfrage. Zumal auch Methoden einer Registrierung oder IP-Speicherung eine Mehrfachabstimmung lediglich erschweren, aber nie vollständig verhindern können. In der Abwägung wurde daher eine möglichst unkomplizierte Beteiligungsmethodik gewählt.“
Anmerkung der Redaktion:
Wir schließen nicht aus, dass wir uns in dem Wortwechsel im Hauptausschuss am 14. September bei der Frage nach dem Ende der Abstimmung tatsächlich verhört haben. Notiert haben wir aus der Sitzung „Ende des Monats/wahrscheinlich Ende des Monats“. Sollte dies nicht so geäußert worden sein, nehmen wir diesen Teil der Kritik natürlich zurück. Die Stadt hat ihrerseits eingeräumt, dass die Umfrage am 15. eben nicht, wie behauptet wurde, abgeschaltet wurde.
Worum es uns in der Hauptsache ging, dürfte deutlich geworden sein: dass durch eine Umfrage, die durch beliebige Mehrfachteilnahme und gezielte Fragestellungen willkürliche Ergebnisse zeitigt, der Stadtrat bei seiner Entscheidung durchaus in eine bestimmte Richtung geleitet werden soll/te, da mag die Stadt – jetzt im Nachhinein (wir verweisen auf den Kommentar unseres Lesers „schmunzler“) – noch so betonen, es sei um einen unverbindlichen „Stimmungstest“ gegangen. Denn dass sich eine Ratsfraktion am Ende gegen eine angeblich erwiesene „Mehrheitsstimmung“ stellt, dürfte unwahrscheinlich sein.
Unsere Redaktion hat auf der RUNDBLICK-Facebookseite einen eigenen „Stimmungstest“ eingestellt. Er funktioniert per Emojis, mehrfache Votings sind daher nur mir mehreren Profilen möglich. Bis zum Sonntagabend, 24. September, um 22 Uhr kann jeder Facebooknutzer darüber abstimmen,
- ob der Platz so bleiben soll, wie er ist,
- ob der Spielplatz bleiben und der Rest wieder Parkplatz werden soll
- oder ob der Parkplatz komplett wieder hergestellt werden soll.
Bis zum Freitagmittag hatten bereits über 400 Teilnehmer abgestimmt:
Rund zwei Drittel sind für die Kompromisslösung, jeweils ca. ein Drittel möchte den Parkplatz zurück bzw. den Park so lassen.
[…] UPDATE – Lesen Sie hier die Antworten der Stadt […]
Pressemitteilung der Stadt zum Reallabor vom 07.08.2023, als noch nicht öffentlich war, das bei der Umfrage dazu beliebige Mehrfachabstimmungen möglich waren:
https://www.presse-service.de/data.aspx/static/1134720F.html
„Nach Ende des Reallabors ist es eine politische Entscheidung, was mit dem Platz dauerhaft passieren soll. Dazu dienen die Erkenntnisse aus der Online-Befragung sowie die konkret eingebrachten Anregungen der Bürgerinnen und Bürger als wichtige Entscheidungsgrundlage.“
Aus der Presserklärung der Stadt im Bericht des Rundblick vom 21.09.2023, nachdem öffentlich wurde, das beliebige Mehrfachabstimmungen möglich gemacht wurden:
„Die Befragung war zu keiner Zeit darauf angelegt, repräsentativ zu sein.“
„Die Online-Befragung ist nur einer von mehreren Bestandteilen der
Bürgerbeteiligung.“
„Wie es mit der Fläche an der Schulstraße weitergeht, entscheidet also weder die Online-Befragung noch die Verwaltung, sondern diese Entscheidung hat allein der Stadtrat zu treffen.“
Persönlich gehe ich als Bobachter davon aus, das ohne die journalistische Aufklärung des Rundblicks die Umfragewerte der privaten Firma, welche im deutlichen Kontrast zur öffentlichen Meinung in den Netzwerken stehen, weiterhin als „wichtige Entscheidungsgrundlage“ benutzt worden wären.
Genau diese Erstmitteilung hatten wir auch in Erinnerung und eben kein „Stimmungsbild“ – wir danken für die Assistenz bei der Recherche, Schmunzler.
[…] Die Stadtpressestelle wies die Kritik an ihrer in Auftrag gegebenen Umfrage samt und sonders zurück… […]