Das Ziel des Unnaer Parkkonzepts, so umriss es der städtische Beigeordnete Markus von der Heide jüngst im für Verkehrsfragen zuständigen Fachausschuss FSO, sei die „intrinsische Motivation, in die Parkhäuser zu fahren“.
Wir verbinden das mit einem weiteren Zitat eines Lesers, Ralph Bürger aus Billmerich, der jüngst feststellte: „Denke ich an Unna, dann denke ich an Parkgebühren und bekomme schlechte Laune.“ Wie das zusammenpasst? Gar nicht.
Nähern wir uns der Thematik auf der semantischen Ebene.
Intrinsische Motivation ist per Definition „das Mittel, um Zufriedenheit in sich selbst zu finden“. Ein intrinisisch Motivierter handelt zum Beispiel aus Neugierde, aus Ehrgeiz oder aus Lust auf eine neue Herausforderung. Intrinsisch lernmotivierte Schüler sind der Traum jedes Lehrers.
Extrinsische Motivation bedeutet das Gegenteil. Man tut etwas, um „externe“ Bestrafung zu vermeiden oder Belohnungen zu suchen.Heißt, der Schüler lernt nur wegen seiner Note oder weil ihn seine Eltern dazu zwingen.
Dies aufs Unnaer Parkkonzept bezogen zeigt, dass dessen Verfechter einem Denkfehler unterliegen.
Das Konzept oder besser sein schon hastig abgeänderter Entwurf setzt bisher ganz überwiegend auf extrinsische Motivation, also auf Bestrafung – Belohnung: Draußen nehmen wir den Leuten Parkplätze weg und machen die verbleibenden drastisch teurer – drinnen in den Parkhäusern und Tiefgaragen bleibt alles, wie es ist.
Reicht ein „alles bleibt, wie es ist“ aber tatsächlich aus, damit Besucher (und Bewohner) der Innenstadt plötzlich „intrinsisch motiviert“, also aus freier Entscheidung von Lust und Neugier getrieben Unnas Parkhäuser und Tiefgaragen fluten?
Wieso sollten sie das, wenn sie es vorher aus welchen Gründen auch immer nicht getan haben? Was ist plötzlich anders und so viel toller an Unna?
Wem darauf keine Antwort einfällt, liegt durchaus richtig, denn ex- und intrinsische Motivation gehen nicht zusammen, sie schließen sich gegenseitig aus.
Nehmen wir als fiktives Beispiel Julia Müller, 30 Jahre alt, Mutter zweier kleiner Kinder, aus Unnas Nachbarstadt Kamen. Julia mag Unnas Altstadt, sie bummelt gerne durch die Fußgängerzone, isst mit ihren Kindern ein Eis, auch zwei der Fachärzte der jungen Familie haben ihre Praxen in der Unnaer Innenstadt.
Mit dem Familienwagen, einem großen Kombi, steuert Julia bisher immer einen der oberirdischen Stellplätze in der Innenstadt an (mal braucht sie dafür länger, mal hat sie sofort Glück).
Sie zieht einen Parkschein und rechnet dabei sicherheitshalber einen Zeitpuffer ein, denn die Flinkheit der Unnaer Parkwächterinnen ist berüchtigt.
In Parkhäuser und Tiefgaragen fährt Julia grundsätzlich nur sehr ungern. Die Kurverei durch die meist engen Zu- und Auffahrten, das Bezahlen am Automaten (hoffentlich nimmt er das Geld an), das Entwerten an der Schranke, all dies verursacht ihr latenten Stress, zumal mit zwei lebhaften Kleinkindern im Schlepptau. Bei Dämmerung fühlt sich die junge Mutter in Parkhäusern zunehmend unwohl.
Damit Julia freiwillig in ein Parkhaus fährt, muss die Verlockung deutlich größer sein als ihre Abneigung: etwa wenn in Unna Stadtfest ist, die Kirmes lockt, der Weihnachtsmarkt oder die Festa Italiana.
Die Verlockung ist nicht groß genug, wenn Julia nur einen Bummel durch Unna unternehmen und mit ihren Kindern ein Eis essen will. Erst recht fühlt sich Julia nicht „intrinsisch motiviert“, in ein Parkhaus zu fahren, als sie bei ihrem nächsten Besuch in Unna plötzlich ihren gewohnten Parkplatz abgesperrt und verbrettert vorfindet: „Hier entsteht ein Reallabor – Park statt Parkplätze!“
Ist ja schön, denkt sich Julia, „eigentlich gibt es hier doch schon einen Park, den Stadtpark. Versteh´ ich nicht ganz. Egal.“
Sie fährt weiter, sieht an weiteren Stellflächen plötzlich Parkverbotsschilder. Andere Parkplätze sind ganz verschwunden, dort stehen jetzt Fahrradständer.
Schließlich, oh Glück, erspäht Julia Müller einen freien Stellplatz in der Nähe des Kinos. Beim Blick auf den Parkscheinautomaten trifft sie der Schlag: 2,50 Euro je angefangene Stunde! „Das sind ja locker 5 Euro obendrauf – für einen Stadtbummel und zwei Eis für die Kinder.“
Nein, sagt sich Julia entschlossen, „so dick haben wir´s nicht, Leute.“ Entschlossen packt sie ihre Sprösslinge wieder ein, fährt aus Ärger versehentlich in die falsche Richtung weiter und kämpft sich genervt durchs Unnaer Einbahnstraßengewirr auf den rettenden Verkehrsring zurück.
Jetzt kann sie, könnte jetzt natürlich in einem zweiten Anlauf in ein Parkhaus fahren. Doch halt:
„Ich weiß ja gar nicht, in welchem gerade wieviele Plätze frei sind und ob ich mit dem großen Auto dort rangieren kann“, überlegt Julia. „Und wer weiß, wie hoch die Gebühren jetzt in Unna in den Parkhäusern sind, wenn es schon draußen derart unverschämt teuer geworden ist.“
Und wenn sie sich’s recht überlegt: Mit den Kindern ins Eiscafé und noch rasch ein paar Besorgungen erledigen kann sie auch in Kamen, da spart sie noch dazu noch die Parkkosten. Hier mal 1,50 € und da mal einen, es läppert sich. Es ist sowieso schon alles so teuer geworden.
Also fährt Julia mit ihren beiden Kindern kurzerhand nach Kamen zurück, parkt dort in Schrittweite zum Markt auf dem Koepeplatz, legt die Parkscheibe hinter die Windschutzscheibe aus und verbringt den Rest des Nachmittags in ihrer im Vergleich zu Unna vielleicht „langweiligeren“ Heimatstadt, aber ungleich entspannter.
Fürs Wochenende plant sie zusammen mit ihrem Mann und den Kindern einen ausgiebigen Einkaufsbummel mit anschließendem Kinobesuch im Ruhrpark Bochum ein. „Und was ich weder dort noch in Kamen bekomme, das bestelle ich eben im Internet.“
„Was wäre denn mal wieder mit Unna?“, fragt ihr Mann am Samstag zwei Wochen später. Och nee, winkt Julia ab: „Bei Unna denke ich an Parkgebühren und Parkhäuser. Davon bekomme ich schlechte Laune.“ Den Gedanken an den nächsten Facharzttermin verdrängt sie fürs Nächste. Notfalls wird ihr Mann sie bringen und wieder abholen.
Kommen wir zum Ausgangspunkt zurück: Damit Besucher und Innenstadtbewohner „intrinsisch motiviert in die Parkhäuser fahren“, muss Unna wohl noch etwas mehr bieten als das Parken „draußen“ maximal abschreckend zu machen und drinnen alles beim Alten zu lassen.
Da wäre die Idee der FDP – Parkhäuser mindestens in der ersten Stunde (besser wären drei Stunden) kostenlos – eher ein Schritt in die richtige Richtung.
Doch von einer Stadt, die es bisher noch nicht einmal hinbekommt, an den für den Einzelhandel wichtigsten vier Samstagen im Jahr vor Weihnachten die Parkgebühren zu reduzieren, geschweige denn (wie Menden) ganz darauf zu verzichten, ist diese Art von Kundenorientierung und Bürgerservice kaum zu erwarten – zumal nicht die Stadt selbst, sondern ihre städtische Tochter WBU die Parkanlagen betreibt und möglicherweise nicht mal eben auf Tausende Euro Parkgebühren verzichten will oder auch darf.
Dies und noch vieles mehr hätte man vielleicht mal vorher besprechen und abstimmen sollen, bevor man mit einem Radikalparkkonzept für eine eher autofreie denn autoarme Innenstadt unter gänzlicher Aussparung von Bürgerbeteiligung im Hauruckverfahren heilloses Chaos stiftet.
Bleibt der Stadt und ihrer grünschwarzen politischen Mehrheit nun die Hoffnung darauf, dass Julia Müller aus Kamen für eine Minderheit steht und es der Mehrheit der Besucher und Bewohner als intrinsische Motivation fürs Parkhausparken genügt, sich in der Innenstadt ein paar Bäumchen mehr anzuschauen und auf einigen Bänken zusätzlich sitzen zu können, während in den Parkhäusern alles so bleibt, wie es vorher schon war – als sie nicht hineingefahren sind, aus welchen Gründen auch immer.
- Kommentar von Silvia Rinke
Danke für diesen Kommentar.
Zutreffender kann man die Situation und Bedürfnisse der Bürger und Kunden, egal ob aus den Vororten oder den umliegenden Städten, nicht beschreiben.
Freundlichen Dank, Herr Gremling.
Gute Kommentierung, Frau Rinke, danke! Ihre Kommentare zu diesem Thema finde ich sehr lesenswert. Ob unsere Kommunalregierung einsichtiger wird, bleibt die Frage. Den Blick für’s Wesentliche haben sie jedenfalls noch nicht gefunden.
Ich freue mich über Ihr Lob, vielen Dank, Frau Kaufmann. Als ehemalige Unnaerin sehe ich die aktuellen Entwicklungen mit Bauchschmerzen. Immer öfter geht es über die Köpfe der Bürger hinweg an ihren Wünschen vorbei. Viele Grüße von Silvia Rinke.
Die Parkhäuser sind zu eng für nen Kombi, aber der Parkplatz auf dem alten Schulhof ist ok? Der auf dem alle mmer kreuz und quer geparkt haben und kleine halbhohe Mauern und Poller stehen?! Ist Teil der Führerscheinprüfung nicht auch nach wie vor, die Grenzen des eigenen Autos zu erlernen? Geht es nicht vielleicht eher darum, dass man mit den SUV-Straßenpanzern nicht mehr gut in Parkhäuser passt, statt mit dem handelsüblichen Kombi? Hätte man das nicht vielleicht schon beim Kauf wissen können?
2,50 € für ne Stunde parken sind zu teuer?! Mal in Düsseldorf gewesen? Dortmund? Münster?
Ticket lösen an der Schranke erzeugt Stress? Einer Mutter von 2 Kindern? Jede Mutter (und Vater) sollte sich bei diesem Quatch beleidigt fühlen. Wer ein, zwei oder 5 Kinder großzieht schafft es auch, sein Fenster runter zu fahren und ne Karte in nen Schlitz zu schieben.
„Ja und wer weiß, wie absurd teuer die doofen Parkhäuser geworden sind?“ Vielleicht fährste einfach doch mal rein, Julia. Dann findest du nämlich heraus, dass Parken im Schnückel-Parkhaus nen kümmerlichen Euro / Stunde kostet und du mit deinem Auto so zentral in die Fußgänger(!)zone gefahren bist, wie es nur eben geht.
Wer keine Probleme hat, erklärt ein paar gestrichene Parkplätze zu einem.
Und dann wird in den Kommentaren noch behauptet, diese Entwicklung gehe an den Bürgern und deren Willen vorbei. Nope, an meinem jedenfalls nicht. Je weniger Autos innerhalb des Rings unterwegs sind, desto besser.