Schenkung von jüdischer Familie Brandenstein als große Bereicherung fürs Hellweg-Museum

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Museumsleiterin Dr. Beate Olmer und Bürgermeister Dirk Wigant zeigen Objekte aus der Schenkung. (Foto Stadt Unna)

Das Hellweg-Museum Unna freut sich über eine große Bereicherung seiner Sammlung. Ein Enkel des bis 1938 in Unna lebenden jüdischen Ehepaars Julius und Frieda Brandenstein schenkte dem Museum historische Objekte und Dokumente der Familie.

Die Bedeutung der Schenkung ist enorm, freuen sich Stadt und Museumsleitung:

„Eine vergleichbare Überlieferung existiert für keine andere jüdische Familie aus Unna.“

Der Kontakt zu den Nachfahren der Familie in den USA war durch die Rückgabe eines Sedertellers aus der Sammlung des Museums zustande gekommen. Sederteller werden am Sederabend, dem Auftakt zum Pessach-Fest, verwendet. Das mehrtägige Fest gehört zu den wichtigsten jüdischen Festen und erinnert an die Befreiung der Israeliten aus Ägypten durch Mose. Auf dem Teller werden neben ungesäuertem Brot weitere symbolische Speisen angerichtet.

Der Sederteller aus Zinn mit reichhaltigem Ritzdekor befindet sich seit August 2006 im Bestand des Hellweg-Museum Unna. Er war Teil des Inventars eines aufgelösten Unnaer Haushalts aus der Bahnhofstraße 25. Dort wohnte von 1913 bis 1938 das Ehepaar Julius und Frieda Brandenstein und betrieb im gleichen Haus das von ihrem Schwager übernommene Textilgeschäft „Josef Reifenberg“.

Sederteller aus Zinn. (Foto: Stadt Unna)

Seit 1919 lebten auch die Eltern von Frieda Brandenstein, Josef und Friederike Rosenmeyer, in der Bahnhofstraße 25. Im Oktober 1938 sah sich die Familie Brandenstein genötigt, Geschäft und Immobilie an einen „arischen“ Interessenten zu verkaufen und Unna zu verlassen.

Gemeinsam mit Friederike Rosenmeyer (Josef Rosenmeyer war im Jahr 1935 verstorben) zogen sie im November 1938 zunächst nach Hilden. Jahre später findet sich ihre Spur in Köln wieder. Von dort wurden Julius und Frieda Brandenstein im Juni 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie sich im Folgemonat laut Totenschein das Leben nahmen.

Friederike Rosenmeyer war im April 1942 in einem jüdischen Krankenhaus in Köln gestorben. Die beiden Kinder des Ehepaars Brandenstein, Kurt (geb. 1920) und Lotte (geb. 1911, verheiratete Kaufmann) konnten in den Jahren 1937 und 1938 in die USA emigrieren.

Der Sederteller war dem Museum im Jahr 2006 von einem mit einer Haushaltsauflösung beauftragten Unnaer Antiquitätenhändler angeboten worden. Da in der Wohnung Nachfahren des Käufers aus dem Jahr 1938 gelebt hatten, war davon auszugehen, dass der Teller aus dem Haushalt Brandenstein/Rosenmeyer stammte.

Anfang 2020 gelang es Museumsleiterin Dr. Beate Olmer, Nachfahren der Familie Brandenstein in den USA ausfindig zu machen. Es handelt sich um den Sohn von Kurt Brandenstein, Dennis Branden, sowie um den Sohn von Lotte Kaufmann, geb. Brandenstein, Joel Kaufmann – also die Enkel von Julius und Frieda Brandenstein.

Seitdem besteht eine rege Korrespondenz vor allem mit dem Sohn von Lotte Kaufmann, Joel, der 1945 in den USA zur Welt gekommen ist. Von ihm erhielt das Museum im Frühjahr 2020 sowohl die Autobiographie, die seine Mutter kurz vor ihrem Tod im verfasst hat, als auch eine Autobiographie seines aus Hilden stammenden Vaters Karl (Carl) Kaufmann. Beide Publikationen enthalten Fotografien und Dokumente, darunter ein Foto der vierköpfigen Familie Brandenstein aus dem Jahr 1928. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Fotos der Familien Brandenstein und Rosenmeyer in Unna unbekannt.

Die Lektüre der Autobiographien gab Einblick in viele bislang unbekannte und sehr persönliche Details der Geschichte der Familien Brandenstein und Kaufmann. Gleichzeitig ergaben sich durch die intensiven Recherchen von Beate Olmer, die durch Stadtarchivar Dr. Frank Ahland unterstützt wurde, Erkenntnisse, die für die Nachfahren in den USA neu waren und die dort mit großem Interesse zur Kenntnis genommen wurden.

Die Kreisstadt Unna hat den Sederteller am 15. Dezember 2020 formell an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben. Die Provenienzforschung, das heißt die Prüfung der Herkunft musealer Sammlungsbestände, und die Restitution unrechtmäßig entzogenen Kulturguts gehört zu den zentralen Aufgaben von Museen.

In Deutschland wurde 1999 die „Gemeinsame Erklärung“ verabschiedet, die öffentliche Kultureinrichtungen zur Identifikation von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut und zur Rückgabe oder zu anderen gerechten und fairen Lösungen auffordert.

„Erfreulicherweise haben Dennis Branden und Joel Kaufmann den Sederteller mit Schreiben vom 5. Februar 2021 dem Museum als Schenkung überlassen, sodass er weiterhin als Teil der Dauerausstellung gezeigt werden kann“,

berichtet die Stadt. Zur Zeit befindet sich der Sederteller in der Wanderausstellung „Geschichte der Dinge. Zur Herkunft der Objekte in nordrhein-westfälischen Sammlungen“, die zwischen September 2020 und April 2022 an 8 Standorten in NRW gezeigt wird.

Nach der Rückkehr des Tellers soll er, ergänzt um weitere Objekte der Familie Brandenstein, im Hellweg-Museum neu präsentiert werden.

Denn zur großen Freude von Beate Olmer hat das Hellweg-Museum Unna von Joel Kaufman im März 2021 weitere Objekte aus dem Nachlass seiner Mutter als Schenkung erhalten:

Es handelt sich um vier Alben mit Fotografien aus dem Zeitraum 1925 bis 1935, ein handgeschriebenes Rezeptbuch, ein Poesiealbum sowie ein Tagebuch von Lotte Brandenstein (verh. Kaufmann), das sie während ihres Aufenthalts in einem Mädchenpensionat in Lausanne im Jahr 1928 geschrieben hat, und ein Ring „Vaterlandsdank 1914“, den das Ehepaar Brandenstein für seine Metallspende im Ersten Weltkrieg erhalten hat.

Im August erreichte das Museum eine weitere Schenkung: Eine qualitätvolle, von Frieda Brandenstein angefertigte Kohlezeichnung, die das Porträt einer Bettlerin zeigt. Diese hatte ihre Tochter Lotte bei ihrer Emigration in die USA mitgenommen.

„Diese Objekte stellen eine große Bereicherung für das Museum und die stadtgeschichtliche Forschung dar“, heißt es abschließend in der umfangreichen Pressemitteilung der Stadt Unna. „Eine vergleichbare Überlieferung existiert für keine andere jüdische Familie aus Unna. Die Stadt und das Hellweg-Museum Unna sind für das Vertrauen der Familie und die großzügige Schenkung sehr dankbar.“

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