„Weimar-Urteil“ zu Maske und Tests an Schulen „fragwürdige Einzelentscheidung“

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Erlaubt: OP-Maske. Foto: RB

Eine Entscheidung eines Amtsgerichts schlägt an diesem Wochenende hohe Wogen.

 Das Weimarer Amtsgericht hat per einstweiliger Anordnung verfügt, dass an zwei Weimarer Schulen die Maskenpflicht nicht angeordnet werden darf. Auch Schnelltests wurden untersagt.

Das Bildungsministerum Thüringen erklärte dem MDR, dass sich die Entscheidung des Gerichtes auf die zwei Schulen in der Stadt Weimar beschränke. Das Ministerium prüfe derzeit das weitere Vorgehen.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof – der Anfang April die Schließung von Schuhgeschäften als verfassungswidrig erklärt hatte – bezeichnete währenddessen das Urteil der Amtsrichter in Weimar als „höchst fragwürdige Einzelentscheidung“.

Hintergrund: Aufgrund einer Demonstration am Wochenende hatten sich Gegner der Coronamaßnahmen in München auf das Weimarer Urteil berufen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht es jedoch im Widerspruch zur überwiegenden Rechtsprechung in der Corona-Pandemie.

Das Thüringer Bildungsministerium stellt dazu folgendes fest:

  1. Eine ordnungsgemäße Bekanntgabe des Beschlusses ist bisher nicht erfolgt. Weder den Schulen noch der Landesregierung liegt der Beschluss in schriftlich ausgefertigter Form vor. Bisher kennen wir lediglich eine Mail an die Schulleitungen.
  2. Wie jede gerichtliche Entscheidung kann auch dieser Beschluss rechtliche Wirkung allein für die am Verfahren Beteiligten entfalten. Vorliegend sind das zwei Schüler. Der Beschluss hat keine Auswirkungen auf die Infektionsschutzmaßnahmen, die für die Thüringer Schulen insgesamt angeordneten wurden. Sie bleiben rechtmäßig in Kraft. Gleiches gilt für zusätzlich verfügte Infektionsschutzmaßnahmen in Kreisen mit hohen Infektionszahlen.
  3. Der Beschluss wirft gravierende verfahrensrechtliche Zweifel auf. So beschränkt sich die Zuständigkeit des Familiengerichts in Sorgerechtsverfahren auf Fragen des Sorgerechts; die Überprüfung von Infektionsschutzmaßnahmen oder Rechtsverordnungen der Landesregierung obliegt dagegen den Verwaltungsgerichten. Auch können nur konkret benannte natürliche oder juristische Personen Adressat von gerichtlichen Ge- oder Verboten sein; die „Leitungen und Lehrer“ zweier Schulen, an die sich der Beschluss richtet, erfüllen diese Grundvoraussetzung nicht.
  4. Ob die Entscheidung angesichts dieser und weiterer verfahrensrechtlicher Probleme überhaupt rechtliche Wirkung entfaltet und Bestand haben kann, muss obergerichtlich überprüft werden. Das Bildungsministerium wird daher schnellstens eine obergerichtliche Prüfung des Beschlusses anstrengen.
  5. Zum Umgang mit den zwei von der Entscheidung betroffenen Kindern steht das Bildungsministerium mit den Schulen im Austausch. Im Übrigen gelten an den zwei betroffenen Schulen in Weimar und im ganzen Freistaat die Infektionsschutzmaßnahmen für alle Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler unverändert weiter.

Ein nicht allgemeingültiges Urteil fällten die Weimarer Richter bereits im Januar:

Im Rahmen eines Bußgeldverfahrens entschieden sie, dass das allgemeine Kontaktverbot in der Thüringer Corona-Verordnung vom Frühjahr 2020 verfassungswidrig sei.

Hintergrund hierzu: Ende April vergangenen Jahres hatte ein Mann zusammen mit 7 weiteren Personen im Hof eines Wohnhauses in Weimar Geburtstag gefeiert. Laut der kurz zuvor in Kraft getretenen Verordnung war der gemeinsame Aufenthalt nur mit höchstens einer haushaltsfremden Person erlaubt.

Die Stadt verhängte im Oktober ein Bußgeld gegen den Mann. Dieser klagte dagegen.

Das Amtsgericht gab ihm Recht: Es sah den Bußgeldbescheid als verfassungswidrig an, da in der Verordnung des Landes eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage fehle. Zum anderen verletze das Kontaktverbot die Menschenwürde lt. Grundgesetz Art. 1.

Ein solches Kontaktverbot sei nur mit der Menschenwürde vereinbar, wenn es einen Notstand gebe, bei dem das Gesundheitssystem drohe zusammenzubrechen.

Das Urteil des Amtsgerichtes Weimar ist nicht allgemeingültig. Bei Rechtsverordnungen, die nicht vom Bundestag oder von einem Landtag beschlossen wurden, dürfe jedes Gericht selbst über die Verfassungsmäßigkeit entscheiden. Der Kläger musste demnach das Bußgeld nicht zahlen.

Dies wäre demnach dann nicht mehr möglich, wenn der Bundestag – wie es von der Bundesregierung vorgesehen ist – über bundesweite Verschärfungen der Coronamaßnahmen beschließt und dazu das Bundesinfektionsschutzgesetz ändert.

  • Hier unser Bericht dazu.

1 KOMMENTAR

  1. „Dies wäre demnach dann nicht mehr möglich, wenn der Bundestag – wie es von der Bundesregierung vorgesehen ist – über bundesweite Verschärfungen der Coronamaßnahmen beschließt und dazu das Bundesinfektionsschutzgesetz ändert.“

    Genau, nach der Ermächtigung kommt die Gleichschaltung, kommt das noch jemandem bekannt vor?

    Im Hinblick darauf, zitiere ich hier gerne mal unser Grundgesetz, noch haben wir ja zumindest eines, wenn auch schon arg verstümmelt.

    Artikel 20/4
    Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

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