Strikt nach Prioritätenfolge würden Unnas Straßen von Eis und Schnee befreit, beteuerte in dieser Schnee- und Eiswoche mehrmals die wegen ihrer mangelhafter Räumungspraxis arg gescholtene Stadt Unna. Über die Reaktionen der (zumeist verständnislosen) Bürger berichtete unserer Redaktion ebenfalls mehrere Male, zuletzt mit einer Zusammenfassung der Meinungsäußerungen vom gestrigen Donnerstag (HIER nachzulesen).
Nun offenbarte allerdings ein ebenfalls am gestrigen Donnerstag unternommener Winterspaziergang durch eine beschauliche Wohnsiedlung hier im Kreis, dass der Bürger – gut, dass mancher Bürger – seiner Stadt in puncto Winterdienst nicht nachsteht. Weiß er doch ebenfalls mit eiskaltem Kalkül Prioritäten zu setzen beim pflichtgemäßgen Schippen und Abstreuen seiner ihm obliegenden Gehwege.
Was wir bei unserem rund anderthalbstündigen Spaziergang (bzw. Einherstolpern und -rutschen durch und über aufgetürmte Schneegebirge) zusammentrugen, atmete reiche Variationsvielfalt:
Recht oft findet man das „Spar-Schippen“ vor. Das ist kein jahreszeitliches Datingportal, sondern das zentimeterbreite Ergebnis offenbar sehr kälteempfindlicher Mitbürger, die bei ihrer lästigen Schipppflicht nur eins wollen: so schnell wie möglich wieder in die warme Stube zurückflüchten.
Da wird es die Kommune mit zehn statt zehnmal zehn freigeschippten Zentimetern wohl nicht so genau nehmen, hoffen diese wärmebedürftigen Zeitgenossen. Das Ergebnis, zuweilen bloß doppelfingerschmal, sieht so aus und fühlt sich beim Gehen drauf auch so an, als hätten sie´s auch gleich ganz lassen können.
Relativ weit verbreitet ist erfreulicherweise aber ebenso die typisch deutsche Gründlichkeit, mit der der Gehweg wie mit dem Lineal gezogen akkurat an der Grundstücksgrenze entlang freigelegt wird, dies exakt den vorgeschriebenen Meter breit, weder einen Zentimeter weniger noch einen mehr (dies vor allem nicht).
Das asphaltgrauschwarze Werk wird gründlich nachgesalzen und anschließend der Sonne zum Abtrocknen anheim gegeben.
Dies mustergültige Zeugnis der Bürgerpflicht erfreut den darauf Einherflanierenden bis zu dem Moment, an dem er der – unübersehbaren – Grundstücksgrenze abrupt von einer waagerechten Schneewand gestoppt wird. Dergestalt eingekesselt von Grundstücksmauer, großem Schneehaufen geradeaus und noch größerem Schneehaufen seitlich (der stammt von der Straße, vom städtischen Räumdienst aufgetürmt) bleibt nur der beherzte Ausfallschritt übers weiße Gebirge hinweg direkt auf die Fahrbahn, auf der hoffentlich gerade kein Auto fährt und die mit Glück schneefrei ist, wenn denn diese besagte Straße wiederum die Priorität des städtischen Räumdienstes genießt, was in den meisten Fällen nicht der Fall ist.
Wo demgegenüber ein nicht ganz so räumungspflichtbewusster, dafür aber ähnlich typisch-deutsch-autovernarrter Bürger seinen Wohnsitz hat, erschließt sich ebenfalls auf den ersten Blick: an einer säuberlich freigeschaufelten nebst -gestreuten geizig schmalen Schneise, die exakt von der Haustür bis zum Garagentor reicht. Wobei der tipp-topp geräumte Garagenvorplatz nebst Zufahrt zuweilen noch nachgefegt erscheinen, so, als sollte der vierrädrige Freund sozusagen besenrein in den eisigen Wintermorgen rollen.
Etwas weniger häufig, aber ärgerlich oft genug trifft der Winterspazierende dann auf Gehwege vor Grundstücken, deren Eigentümer entweder a) seit längerer Zeit im Winterurlaub weilen, b) siechend darniederliegen, c) irgendwo auf einer eisverkrusteten Autobahn in ihrem eisigen Auto im Stau feststecken oder sich – nichts von alldem – d) einfach denken: Das taut schon wieder weg. Oder: Soll doch irgendwer anderes wegmachen, den weißen Scheiß.
Weder das eine noch das andere pflegt in der Regel einzutreffen. Das „eine“ zumindest nicht kürzestfristig, weshalb das Ergebnis in beiden Fällen gleich ist: Ein konsequent unbearbeiteter Schnee- statt Gehweg, sozusagen ein ungeschliffener Eisdiamant.
Der Spazierkomfort auf solchem Steig lässt zu wünschen übrig, und wir haben bei unserem Testlauf noch nicht mal einen Rollator oder einen Kinderwagen dabei. Wie schaffen das Menschen, die im Rollstuhl sitzen? – Gar nicht: Da musste just gestern eine Rollstuhlfahrerin in Unna direkt am mehrspurigen Verkehrsring auf die Fahrbahn wechseln, weil sie auf dem schnee-verbarrikadierten Gehweg nicht mehr vor noch zurück kam. Schrieb uns die betroffene Leserin in einem Kommentar zum Thema Winterdienst. Hmpf.
Eine Sonderform des jungfräulich darniedergeflockten Schneegehwegs ist schließlich noch die festgetrampelte Variante, wahlweise mit Granulat oder auch mal mit Katzenstreu garniert, eine Räumungseigenart, die als durchaus willkommenen Nebeneffekt lästige Schlaglöcher verfüllt.
Temporär, denn dies Kalkül geht so lange auf, bis entweder die Sonne auf die weiße Pracht knallt und/oder ein zürnender Nachbar zum Salzfässchen greift und persönlich Hand anlegt: Beides verwandelt die trittfeste prachtweiße Schneedecke zügig in bräunlichen, uferlosen Matsch – so glitschig wie Schmierseife, was den Winternachmittagsspaziergang bergab auf nicht unbedingt willkommene Weise abkürzt.
Danke Rundblick Unna,
das Unvermögen der Stadt Unna trifft hier selbstverständniss nicht zu ,oder ?
PS: zufahrten zu Krankenhaüsern und Steigungen haben Priorität ?
Bin diese Woche zigmal daran vorbeigefahren. und NULL !
Aber ein Bürgermeister plappert hörig , so löst man keine Inkompetenz !
Hallo
es ist schon viel gesagt zu den Winterdienstpflichten von Eigentümern und Stadt Unna.
Eine Tatsache fehlt allerdings. Der von den Eigentümern geräumte Gehweg wird häufig seitens des städtischen Winterdienstes wieder zunichte gemacht. Begründung:
Der städtische Winterdienst fährt sehr schnell über die Straße und spritzt den eigenen Schneeabrieb der Straßen wieder auf den geräumten Gehweg der Hauseigentümer.
Dies ist mehrmals in den letzten Tagen geschehen und sollte zukünftig vom öffentlichen Winterdienst beachtet werden. Danke
Hallo, Herr Düllmann, danke für Ihren Hinweis auf diesen Umstand, den wir in diesem Artikel übrigens auch erwähnt haben.