„Medienkampagne“ im Zusammenhang mit Missbrauchsskandal seines Vize: Lünens Bürgermeister tritt doch nicht wieder an

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Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns. Fotorechte: Stadt Lünen

Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns wird bei der Kommunalwahl im September nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren. Dies hat er heute (am 7. Juli) mit einer persönlichen Erklärung bekanntgegeben.

Als Gründe nennt er den Skandal um seinen früheren Stellvertreter Daniel Wolski, der Minderjährige für Sex bezahlte. Der damalige Lüner Vizebürgermeister wurde am 14. Mai 2024 vor dem Landgericht Bochum zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Vor Gericht legte Wolski ein Geständnis ab.

Kleine-Frauns hatte Wolski damals eine anonyme E-Mail weitergeleitet, in der die Vorwürfe gegen seinen Stellvertreter erhoben wurden. Er sei von einer Schmutzkampagne gegen Wolski ausgegangen, so der Lüner Bürgermeister damals.

Die weitergeleitete E-Mail hat gleichwohl nun noch Folgen für Kleine-Frauns. Vorige Woche wurde bekannt, dass in dieser Sache nun doch ein Verfahren gegen den Bürgermeister starten wird.

In Konsequenz erklärt er nunmehr am heutigen Montag seinen Verzicht auf eine dritte Amtszeit. Damit konkurrieren in der größten Stadt in Kreis nun noch drei Kandidaten ums höchste Stadtamt: Andreas Dahlke von der Wählergemeinschaft Gemeinsam für Lünen (GfL), Martina Förster-Teutenberg von der SPD und Beigeordneter Christian Klicki für die CDU. Jürgen Kleine-Frauns ist parteilos.

In einer persönlichen Erklärung auf der Website der Stadt Lünen erklärt sich Kleine-Frauns wie folgt. (Anm. unserer Redaktion: Wenn im Folgenden von „Lokalpresse“ die Rede ist, bezieht sich das auf die Ruhrnachrichten Lünen. Unsere Redaktionen Rundblick Unna und Ausblick am Hellweg wurden entweder nie in den Presseverteiler der Stadt Lünen aufgenommen (Rundblick) oder im Fall der Ausblick-Redaktion schon vor längerer Zeit ohne Angabe von Gründen aus dem Presseverteiler entfernt.)

„Liebe Lünerinnen, liebe Lüner,

bei den Kommunalwahlen am 14. September entscheiden Sie darüber, wer in den folgenden fünf Jahren Bürgermeisterin oder Bürgermeister in Lünen wird. Anfang September des vergangenen Jahres hatte ich angekündigt, mich um eine dritte Amtszeit zu bewerben.

Grundlage dafür war meine Überzeugung, dass wir unsere Stadt trotz Dauerkrisen und einer schwierigen Haushaltssituation weiterentwickeln können, wenn wir nur weiterhin zusammenhalten. Auch habe ich mich davon leiten lassen, dass mir in vielen Gesprächen von den Menschen in unserer Stadt immer wieder gesagt wird, dass ich der Richtige bin, um unsere Stadt durch diese herausfordernde Zeit zu führen.

Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch davon ausgehen, dass ein Ende November 2023 gegen mich eingeleitetes Verfahren wegen der Weiterleitung einer E-Mail an den ehemaligen ersten stellvertretenden Bürgermeister kurzfristig eingestellt wird. Das ist jedoch nicht passiert.

Stattdessen hat die Staatsanwaltschaft im März diesen Jahres Anklage wegen der Verletzung eines Dienstgeheimnisses erhoben. Nachdem das Amtsgericht Lünen die Anklage zurückgewiesen hatte, hat mir das Landgericht Dortmund in der letzten Juni-Woche mitgeteilt, dass die Anklage doch zur Gerichtsverhandlung zugelassen wird.

1. Kandidatur überdacht: Ich werde mich nicht um eine dritte Amtszeit bewerben

Aufgrund der überraschenden Entscheidung des Landgerichts habe ich meine Bewerbungsabsicht noch einmal abgewogen. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich nach der vorangegangenen Entwicklung bei der Kommunalwahl im September nicht mehr als Bürgermeister kandidieren werde. Für eine dritte Amtszeit stehe ich deshalb nicht mehr zur Verfügung.

Gerne erläutere ich Ihnen ausführlich („der Reihe nach“) die Gründe, die mich zu diesem Schritt bewegen. Wen die Einzelheiten des Verfahrens nicht interessieren – was ich sehr gut verstehen kann – bitte ich, als Erklärung für meine Entscheidung „persönliche Gründe“ zu akzeptieren. Dann können Sie die folgenden Abschnitte überspringen und gleich bei Punkt 3. weiterlesen.

2. Gründe

a) Zur E-Mail und ihrem Inhalt

In dem gegen mich gerichteten Verfahren geht es um eine unter einem Pseudonym versandte E-Mail, die ich am 18.01.2023 erhalten habe. Darin heißt es, dass mein ehemaliger Stellvertreter einen Chat-Kontakt zu einem 16-jährigen Mädchen habe und dass er ihr für ein Treffen Geld angeboten habe. Klarzustellen ist, was die Staatsanwaltschaft mittlerweile auch eingeräumt hat, dass das in der E-Mail geschilderte Geschehen keine Straftat darstellt, auch wenn es nach allgemeiner gesellschaftlicher Auffassung moralisch verwerflich angesehen wird.

Weil ich davon überzeugt war, dass hier eine Schmutzkampagne gegen meinen damaligen Stellvertreter drohte, habe ich die E-Mail sofort an ihn weitergeleitet, um ihn darüber zu informieren. Er hat darauf geantwortet, dass das „ja unglaublich“ sei, womit er sein seinerzeitiges tadelloses Ansehen bei mir bestätigte.

Erst später im Jahr, nach seiner Festnahme am 26.10.2023, wurde im Laufe der öffentlichen Berichterstattung bekannt, dass gegen den ersten stellvertretenden Bürgermeister unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger in mehreren Fällen ermittelt werde. Als die E-Mail am 18.01.2023 bei mir einging, 9 Monate vor seiner Festnahme, hatte niemand damit gerechnet.

Nur die Staatsanwaltschaft hatte bereits seit Anfang Januar 2023 – also noch bevor ich die E-Mail erhielt – den ehemaligen Stellvertreter als Verdächtigen identifiziert, unterließ aber leider sofortige Maßnahmen, um weitere geschädigte Minderjährige zu schützen. Wäre die Staatsanwaltschaft tätig geworden, hätte er der in der E-Mail in Bezug genommenen 16-Jährigen wohl kein Treffen mehr anbieten können.

b) Verlauf des Verfahrens, Disziplinarverfahren, Anklageerhebung, Zulassung der Anklage

Als die Staatsanwaltschaft bei der Auswertung des Handys des ehemaligen Stellvertreters auf meine Nachricht stieß, ist sie fälschlich davon ausgegangen, ich hätte durch die E-Mail Kenntnis davon gehabt, dass er einer 16-Jährigen Bargeld für sexuelle Handlungen angeboten habe.

Weil das – im Unterschied zu dem Anbieten von Geld für ein Treffen – eine Straftat ist, hat die Staatsanwaltschaft wegen versuchter Strafvereitelung und Verletzung des Dienstgeheimnisses Ermittlungen gegen mich eingeleitet. Davon erfuhr ich am 30.11.2023, als zwei Staatsanwälte und vier Polizisten mich bei einem öffentlichkeitswirksam inszenierten Besuch im Rathaus mit einem Durchsuchungsbeschluss konfrontierten.

Da ich sowohl die E-Mail vom 23.01.2023 als auch die Nachricht an den seinerzeitigen Stellvertreter sofort vorzeigen konnte, hätte es eines solchen Ermittlungsexzesses überhaupt nicht bedurft. Den Durchsuchungsbeschluss hatte das Landgericht Dortmund erlassen, nachdem das Amtsgericht Dortmund diesen zuvor unter Hinweis auf die Unverhältnismäßigkeit und des „zu erwartenden Schadens hinsichtlich der Reputation des Beschuldigten aufgrund seiner Stellung“ abgelehnt hatte. 

Nachdem es weder am 30.11.2023 noch in der Folgezeit neue Tatsachenerkenntnisse gab und meinerseits Mitte April 2024 noch einmal nach dem Sachstand gefragt wurde, ergab sich aus dem Antwortschreiben der Staatsanwaltschaft, dass beabsichtigt sei, das Verfahren einzustellen. Da die Staatsanwaltschaft bei Ermittlungen gegen einen Bürgermeister wegen der Verletzung eines Dienstgeheimnisses das Kommunalministerium NRW anhören muss (für „Spezies“: Nr. 211 Abs. 1 i.V.m. Nr. 212 RiStBV), schien die Einstellung des Verfahrens nur noch eine Formsache. 

Doch es kam anders: Kurz nach meiner öffentlichen Ankündigung am 9. September 2024, bei den Kommunalwahlen 2025 erneut als Bürgermeister anzutreten, nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf. Und das zu Tatsachen, die geklärt bzw. öffentlich bekannt waren, weshalb die weiteren Ermittlungen m. E. unzulässig waren.

Hier ist nicht der Platz bzw. Platz genug, um die Weisungsrechte des CDU geführten Kommunalministeriums gegenüber der Staatsanwaltschaft im Detail zu erläutern. Dadurch aber, dass sich mein einst engster Vertrauter zeitlich parallel dazu im September 2024 für die Bürgermeisterwahl als Gegenkandidat der CDU ins Gespräch gebracht hat, sind die Abläufe zumindest „auffällig“. Die sich anschließende Entwicklung dürfte diesen Eindruck noch verstärken.

Denn obwohl die weiteren Ermittlungen noch im September abgeschlossen werden konnten, passierte trotz mehrerer Sachstandsanfragen und dringender Appelle, dem Verfahren Fortgang zu geben, bis Februar diesen Jahres nichts. 

Dann aber überschlugen sich die Ereignisse: Zunächst hat das Kommunalministerium den Landrat als Aufsichtsbehörde angewiesen, wegen der Weiterleitung der E-Mail vom 18.01.2023 ein Disziplinarverfahren gegen mich einzuleiten. Darauf folgte dann Ende Februar diesen Jahres die Anklageerhebung wegen der Verletzung eines Dienstgeheimnisses.

Nach sage und schreibe 14 Monaten ohne neue Tatsachenerkenntnisse ergab sich nur im Umkehrschluss aus der Anklageschrift, dass der Vorwurf der versuchten Strafvereitelung fallengelassen wurde. Dabei war es doch der Verdacht dieser Tatbestandsverwirklichung, der die offensiven Ermittlungen ausgelöst hatte. Und das – wie oben bereits angesprochen – auf der Grundlage einer offensichtlichen Fehlinterpretation des Inhalts der E-Mail. Nach der Einleitungsverfügung der Staatsanwaltschaft sollte ich Kenntnis darüber erhalten haben, dass der ehem. stellvertretende Bürgermeister einer Geschädigten Geld „für sexuelle Handlungen“ gezahlt haben soll.

In der E-Mail ging es demgegenüber explizit nur um Geld für ein Treffen. Hätte die Staatsanwaltschaft richtig gelesen und festgestellt, dass in der Mail gar kein strafbares Geschehen geschildert wird, hätte sie keinen objektiven Anhaltspunkt gehabt, wegen Strafvereitelung zu ermitteln. Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautete also „nur“ auf Verletzung eines Dienstgeheimnisses – begangen dadurch, dass ich an meinen seinerzeitigen Stellvertreter die E-Mail einer mir unbekannten Person weiterleitete. 

Ende April hat das Amtsgericht Lünen die Zulassung dieser Anklage abgelehnt. Im Wesentlichen hat das Amtsgericht dies damit begründet, dass es sich bei der konkreten E-Mail, die ich weitergeleitet habe, nach ihrem Inhalt nicht um ein Dienstgeheimnis handele. Gegen diese Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft innerhalb einer Woche weisungsgemäß Beschwerde eingelegt.

Daraufhin ist Ende Juni der Beschluss des Amtsgerichts Lünen für mich völlig überraschend vom Landgericht Dortmund aufgehoben worden. Übrigens unter dem Vorsitz desselben Richters, dessen Kammer auch die vom Amtsgericht Dortmund als unverhältnismäßig eingestufte Durchsuchungsanordnung Ende November 2023 erlassen hatte. Im Wesentlichen hat das Landgericht seine Entscheidung damit begründet, dass schon der Eingang und das Vorhandensein einer E-Mail ein der Geheimhaltung bedürfendes Dienstgeheimnis begründe – unabhängig von dem Inhalt der E-Mail.

Auf die Frage, ob darin lediglich auf ein Treffen oder auf sexuelle Kontakte des ehem. stellvertretenden Bürgermeisters hingewiesen werde, komme es gar nicht an. Das Landgericht hat beschlossen, dass das Hauptverfahren eröffnet wird. Über den Anklagevorwurf der Staatsanwaltschaft ist danach durch das Amtsgericht Lünen in einer Hauptverhandlung zu entscheiden.

c) Ausgang des Gerichtsverfahrens für Kandidaturverzicht unerheblich

Nach 20 Monaten ist das Verfahren also weiter offen. Da es seit dem 30.11.2023 keine neuen Tatsachenerkenntnisse gab, verbleibt für die Hauptverhandlung also nur die reine Rechtsfrage zu klären, ob jede E-Mail, die im Postfach buergermeister@luenen.de eingeht, unabhängig von ihrem Inhalt ein Dienstgeheimnis ist.

In 1 ½ Jahren konnte dies von der Justiz nicht abschließend geklärt werden. Demgegenüber wurde in dem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch den ehem. stellvertretenden Bürgermeister erstinstanzlich bereits am 14.05.2024 ein Urteil gesprochen. Und da ging es nicht nur um eine Rechtsfrage, sondern um 30 Anklagepunkte, die teils umfangreicher Sachaufklärungen bedurften. Auch vor diesem Hintergrund ist die bisherige Dauer des gegen mich gerichteten Verfahrens irritierend. Zumindest reihe ich das in die Liste der „Auffälligkeiten“ ein.

Dass ich mich nun in einem Gerichtsverfahren verantworten muss, nehme ich an – unabhängig davon, wie das Verfahren ausgeht. Schon in meinen ersten Stellungnahmen im Dezember 2023 habe ich klargestellt, dass ich mir persönlich nichts vorzuwerfen habe. Wenn es nicht erlaubt ist, dass ich als Bürgermeister eine E-Mail an den Stellvertreter weiterleite, nachdem sich eine unbekannte Person über ihn beschwert hat, dann habe ich hier einen Fehler gemacht.

Verantwortung zu tragen, setzt aber auch voraus, eigene Fehler nicht auszuschließen und gegebenenfalls einzugestehen. Das gilt für jede Führungskraft und für einen Bürgermeister in besonderem Maße. Ohne Mut, Entscheidungen zu treffen und die Entschlossenheit, diese umzusetzen, könnte ich mein Amt nicht ausüben.

Bei der Arbeit für die Menschen in dieser Stadt sind Mut, Haltung und Menschlichkeit ebenso wichtig wie juristische Bewertungen. Dabei besteht immer die Gefahr, dass man sich täuscht oder getäuscht wird. So war ich auch tief enttäuscht und fühlte mich getäuscht, als die Wahrheit über meinen ehemaligen Stellvertreter ans Licht kam.

Die Alternative kann aber nicht sein, dass man Vertrauen jeweils unter den Vorbehalt einer Rechtsprüfung stellt. Gerade weil ich mir meiner Verantwortung bewusst bin, bin ich davon überzeugt, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine ordnungsgemäße Amtsführung nicht davon abhängt, wie das Gerichtsverfahren ausgeht. Ich habe in den letzten 20 Monaten mit sehr vielen Menschen über diese Angelegenheit gesprochen; niemand hätte unter den gegebenen Umständen die in einer E-Mail angesprochene Person aus dem beruflichen oder privaten Umfeld nicht unmittelbar kontaktiert, um sie zu informieren.

Vor diesem Hintergrund sorge ich mich nicht vor der Hauptverhandlung oder einem etwaigen Urteil zu meinen Lasten. Nicht, dass die Verletzung eines Dienstgeheimnisses ein Kavaliersdelikt wäre. Die diametral entgegengesetzten Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts zu der Qualifizierung der weitergeleiteten E-Mail verdeutlichen aber, dass es bei der Frage, ob ich einen Fehler gemacht habe, um eine rein akademische Frage geht. Rein dienstlich betrachtet ist diese Angelegenheit nur ein Fall von mehreren im Jahr, wo ich mich als Bürgermeister auf Grund meiner Aufgaben und Tätigkeiten vor Gericht verantworten muss.

Aus meiner Sicht liegt bei isolierter Betrachtung des Strafverfahrens kein Grund vor, von einer Bewerbung um eine dritte Amtszeit abzusehen. Für meine Entscheidung ist unerheblich, wie der Fall abgeschlossen wird.

d) Warum ich trotzdem nicht mehr antrete

Um es auf den Punkt zu bringen: Ich trete nicht mehr an, weil das Verfahren noch offen ist.

Dadurch, dass das Landgericht kurz vor Beginn meines Wahlkampfs entschieden hat, dass die gegen mich gerichtete Anklage wegen der Verletzung eines Dienstgeheimnisses doch vor dem Amtsgericht verhandelt werden muss, ist meiner Kandidatur faktisch die Grundlage entzogen worden.

Nur bei einer Abweisung der Beschwerde der Staatsanwaltschaft durch das Landgericht und einer damit verbundenen endgültigen Beendigung des Verfahrens hätte ich drei Monate vor der Wahl eine Chance gehabt, die Wählerinnen und Wähler von meiner Integrität zu überzeugen. Weil das Verfahren aber weiter offen ist, versperrt das in den letzten 20 Monaten in der Öffentlichkeit erzeugte Bild den Blick auf meine Person.

Geprägt wird dieses Bild durch eine Lokalpresse, die über das gegen mich gerichtete Verfahren vom ersten Tag an falsch und mit erhobenem Zeigefinger berichtet hat.

Obwohl der Wortlaut der E-Mail dort bekannt ist, hat die Lokalpresse in den letzten 1 ½ Jahren den Sachverhalt in Printausgaben, Online-News und den zugehörigen Social Media Kanälen penetrant wiederholt mit wechselnden Formulierungen so dargestellt, als hätte die mir zugesandte E-Mail einen Hinweis enthalten, dass mein ehem. Stellvertreter „Sex mit Minderjährigen“ (wörtlich 10.04.2024) hat.

Tatsächlich geht das aus der E-Mail, wie oben dargestellt, aber gerade nicht hervor. Damit ist gezielt der Eindruck erweckt worden, ich hätte von dem sexuellen Missbrauch gewusst und seine Taten gedeckt. Die Lokalpresse hat mich so in der Öffentlichkeit als Co-Beteiligten geframed.

Spätestens seit im März 2025 bekannt wurde, dass es bei der Anklageerhebung nicht um eine versuchte Strafvereitelung geht, ist quasi auch amtlich anerkannt, dass die E-Mail keinen Hinweis auf einen sexuellen Missbrauch enthalten haben kann. Sonst wäre dieser Vorwurf nicht fallengelassen worden – unabhängig davon, dass ich ja im Januar 2023 noch nichts von den Vorwürfen wusste, die Ende Oktober 2023 durch die Verhaftung meines ehem. Stellvertreters erst bekannt wurden.

Doch statt klarzustellen, dass es in der Anklage lediglich um den Vorwurf der Verletzung eines Dienstgeheimnisses geht, hat die Lokalpresse ihre Stigmatisierung meiner Person fortgesetzt. So hieß es seitdem wiederholt in den letzten Monaten, dass der ehem. stellvertretende Bürgermeister in der E-Mail vom 18.01.2023 beschuldigt wurde, „sexuelle Kontakte mit Minderjährigen“ (wörtlich 06.03.2025) gehabt zu haben. Egal wie und wo, hat die Lokalpresse immer, wenn sie über die Anklage wegen der Weiterleitung der E-Mail berichtet hat, wörtlich einen sexuellen Bezug eingeflochten.

Mit dem aufgebauten Narrativ des Bürgermeisters, der die Missbrauchstaten seines ehemaligen Stellvertreters gedeckt hat, sind in den Sozialen Medien in den vergangenen 20 Monaten Hasskommentare und Beleidigungen gegen meine Person provoziert worden – insbesondere auf den eigenen Social Media Kanälen der Lokalpresse.

Befördert wird diese Entwicklung dadurch, dass die Kommentatoren erkennbar meistens kein Abo bei der Lokalpresse haben und ihre Sachinformationen sich auf emotionalisierende Reiz-Worte der Teaser-Texte beschränken. Zu erkennen ist dies in den Kommentaren daran, dass ich nicht nur moralisch auf eine Stufe mit meinem ehem. Stellvertreter gestellt werde, sondern viele wohl tatsächlich davon ausgehen, dass ich beteiligt war. Seit der Anklageerhebung wegen „Verletzung eines Dienstgeheimnisses“ werde ich nicht mehr nur in den Sozialen Medien als „Pädo-Freund“ oder einfach als „Schwein“, der ebenfalls „in den Knast“ gehört, betitelt, sondern auch in der Öffentlichkeit „Drecks-Bürgermeister“ oder „Kinderf**er“ genannt.

Und nun, nach Zulassung der Anklage durch das Landgericht, lassen die jüngsten Berichte und die Social Media Beiträge keinen Zweifel daran, dass die Lokalpresse die von ihr betriebene Stigmatisierung auch in den nächsten Wochen fortsetzt. So wird weiterhin der falsche Eindruck geschürt, dass die E-Mail einen Hinweis auf sexuelle Handlungen enthielt. In der Berichterstattung wird zusammenhanglos darauf hingewiesen, dass der Satz „Verführung Minderjähriger ist strafbar“ Teil der E-Mail sei.

Das Anzeigenblatt und die Social Media Kanäle der Lokalpresse behaupten gar wahrheitswidrig, es sei der Schlusssatz in der Mail, was natürlich so gedeutet werden soll, dass nicht nur auf ein Treffen gegen Geld, sondern auch auf „Sex mit einer Minderjährigen“ hingewiesen worden wäre.

Auch, wenn es bei der Lokalpresse nichts ändert, stelle ich hier in Kenntnis der Aussagen der E-Mail-Verfasserin bei ihrer polizeilichen Vernehmung folgendes im Detail klar:

Die Verfasserin der E-Mail war nicht etwa die Mutter der per Chat kontaktierten Minderjährigen, sondern die Mutter ihres 16-jährigen Freundes. Ihr hatte die 16-Jährige von dem Treffen erzählt, was sie nachvollziehbar sehr „empört“ hat. Sie betrachtete wohl die in der E-Mail ebenfalls angesprochenen Chat-Verläufe, mit denen der ehem. stellvertretende Bürgermeister auch das in der E-Mail konkretisierte Treffen gegen Geld angebahnt hatte, bereits als strafbare Verführung Minderjähriger.

Dass es bei dem Treffen um sexuelle Handlungen ging, hat die Verfasserin der E-Mail in ihrer Aussage gegenüber der Polizei ausdrücklich ausgeschlossen. Der Freundin ihres Sohnes sei es nur darum gegangen, den ehem. stellvertretenden Bürgermeister mit Fotos bei Laune zu halten, damit er sich mit ihr traf und sie mit dessen Taschengeld gemeinsam mit ihrem Freund feiern gehen konnte.

Unabhängig von den letztgenannten Details aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die bisher nicht öffentlich bekannt waren, gehe ich davon aus, dass die Lokalpresse auch überhaupt kein Interesse an einer sorgfältigen und korrekten Berichterstattung (mehr?) hat.

Sie ist darauf aus, Geschichten nur so zu erzählen, dass sie sich gut verkaufen.

So verstellt die Geschichte, die die Lokalpresse in Bezug auf meine Person gesponnen hat, den Blick dafür, dass es eigentlich nur um die Frage geht, ob ich bei meinem Umgang mit der E-Mail einen Fehler gemacht habe. Dass diese Frage nach der Entscheidung des Landgerichts auch nach 1 ½ Jahren noch nicht geklärt ist, bedeutet „Wasser auf den Mühlen“ der Lokalpresse. Die Berichterstattung der letzten Woche über diesen Beschluss hat das verdeutlicht.

Bei einem Festhalten an meiner Kandidatur müsste ich davon ausgehen, dass das offene Verfahren bzw., genauer gesagt, das von der Lokalpresse aufgebaute Bild in der Öffentlichkeit den Wahlkampf prägt. Vielleicht sogar auch überschattet.

Letzten Endes könnte die Angelegenheit so zum wahlentscheidenden Thema gemacht werden. Nur, wenn das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt hätte und damit das strafrechtliche Verfahren endgültig beendet worden wäre, hätte sich der erzeugte Nebel gelegt und der Blick auf meine Person wäre wieder frei und klar geworden. Dann hätte ich – wie geplant – in den Wahlkampf einsteigen können. Entsprechende Vorbereitungen hatte ich getroffen. Aber es ist anders gekommen. Das akzeptiere ich.

3. Keine anderen entscheidenden Gründe, nicht mehr anzutreten

Bei meiner jetzigen Entscheidung haben andere Aspekte außer der Auswirkungen des offenen Verfahrens nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Darüber, dass die finanziellen Handlungsspielräume der Kommunen allgemein und auch in Lünen enger werden, dass wir uns seit der Coronakrise im Dauerkrisenmodus befinden, dass wir auch in der Verwaltung mit der Wirtschaftsflaute und explodierenden Kosten kämpfen oder dass das gesellschaftspolitische Klima auch in Lünen rauer geworden ist, usw. – darüber hatte ich mir schon Mitte letzten Jahres Gedanken gemacht. Mit dem Ergebnis, dass ich im September 2024 angekündigt hatte, für eine dritte Amtszeit antreten zu wollen.

Die Umstände und die Enttäuschung darüber, dass das Verfahren nicht schon im letzten Jahr eingestellt wurde, insbesondere aber die sich anschließende Entwicklung, die ich oben bei aller Ausführlichkeit nur in Teilaspekten dargestellt habe, haben sehr viel Kraft gekostet. Nach der aktuellen Entscheidung des Landgerichts musste ich für mich auch prüfen, ob ich diese Kraft nun noch weitere fünf Jahre aufbringen kann. Nach dem Ergebnis der Situationsanalyse brauche ich es darauf nicht ankommen zu lassen.

4. Es war und ist mir eine Ehre!

Nicht für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, fällt mir schwer, weil ich mich sehr gerne und mit Leidenschaft als Bürgermeister für die Menschen in Lünen einsetze. Es bleibt – wie ich am Abend der Stichwahl 2015 gesagt habe – mein „Traumberuf“.

Bei meinem heutigen Blick nach vorne ist es für einen Rückblick noch zu früh. Erst einmal können Sie sich, liebe Lünerinnen und Lüner, darauf verlassen, dass ich meine Aufgaben jenseits der nun beginnenden „heißen Phase“ des Kommunalwahlkampfes bis Ende Oktober mit vollem Einsatz weiter wahrnehmen werde.

Weil man aber nie genug DANKE sagen kann und es für ein DANKE nie zu früh ist, möchte ich mich auch heute für die allgegenwärtige Unterstützung, die ich auch persönlich in den vergangenen zehn Jahren von sehr vielen engagierten Menschen erhalten habe, sehr herzlich beDANKEn.

In diesem Zusammenhang wünsche ich unserer Stadt, dass es trotz aller Herausforderungen und Schwierigkeiten auch in Zukunft möglichst viele Ehrenamtliche und Freiwillige gibt, die sich für das Gemeinwohl, für Demokratie und Meinungsfreiheit einsetzen. Diese Menschen sind das Gold, weshalb wir ganz entgegen unserer Haushaltslage eine reiche Stadt sind! Um in diesem Sinne reich zu bleiben, sollten wir aber immer besonders darauf achten, wie wir miteinander umgehen.

Es war und ist für mich eine große Ehre, Bürgermeister unserer schönen Stadt Lünen zu sein.

Herzlichst
Ihr/Euer

Jürgen Kleine-Frauns“

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