Mit einem lauten Krachen brach am Samstagabend (21. Juni) gegen 20 Uhr plötzlich ein armdicker, über ein Meter langer Ast von einem großen alten Sraßenbaum an der Friedrich-Ebert-Straße in Königsborn. Er stürzte mehrere Meter tief mitten auf den Radweg, wo er in mehrere Teile zerbarst.
Nur knapp verfehlte der Ast ein auf dem Parkstreifen geparktes Auto, nur eine halbe Minute später fuhr ein Radler genau an der Absturzstelle entlang.
Unser Facebookpost am Samstagabend rief unerwartet viele und unerwartet heftige Reaktionen hervor. Auch, weil einige Leser sich an die Tragödie zehn Jahre zuvor erinnert fühlten.
Am 31. März 2015 hatte über Unna ein Sturm mit Böen bis zu 130 km/h getobt. Vor dem Café Koch an der Friedrich-Ebert-Straße war eine 100 Jahre alte Kastanie im Sturm umgestürzt und hatte einen 51-jährigen Lieferfahrer der Tafel Unna unter sich begraben, der dort gerade mit seinem Roller herfuhr.
Der Mann starb.
Die Stadt Unna verwies damals und verweist auch im harmlos verlaufenen Fall des Astbruchs am Samstag auf den Kontrollturnus, der für alle Stadtbäume gilt. „Städtische Bäume werden einmal pro Jahr kontrolliert, bei Bedarf auch häufiger“, so Stadtsprecher Kevin Kohues. „Dabei werden die Bäume unter anderem auf Totholz untersucht.“
Gleichwohl:
„Astbrüche wie der von Ihnen beschriebene kommen trotzdem hin und wieder vor.“
Die Reaktionen unter unserem Facebookpost reichten von einem abfälligen „kommt eben vor, dann parkt eben woanders“ bis zu Vorwürfen an die Stadt. So kritisierte eine Leserin aus Massen:
„Es fehlt einfach die Baumpflege. Hier in Massen auf dem Spielplatz fallen oberarmdicke Äste runter. Manchmal zum Glück nur auf unser Grundstück. Gemacht wird rein gar nichts! Eine Kronenkürzung wäre schnellstmöglich von Nöten, aber man kann ja zig Mails schreiben oder anrufen, es passiert nichts.
Die Bäume sind an sich toll und wir haben zum Glück schönen Schatten im Sommer, aber Pflege muss trotzdem sein. Ich halte bei dem Wetter auch regelmäßig den Schlauch rüber. Es muss wohl erst was passieren, damit was gemacht wird!“
Den „Schlauch rüberhalten“, also selbst mithelfen und gießen, schlagen auch andere Kommentarschreiber vor, grundsätzlich im Hinblick auf Straßenbäume. Das Frühjahr war ungewöhnlich trocken, auch jetzt fehlt es schon wieder an Regen.
Solle es da nicht selbstverständlich sein, dass jeder Anwohner mit einem Baum vor der Haustür diesem täglich mit ein paar Eimern Wasser über den Sommer hilft?
„Mach ich schon immer“ verkündeten die einen, „so weit kommt es noch“ entrüsteten sich die anderen: „Ich werde gerade noch mit meinem teuren Trinkwasser der Stadt ihre Pflichten abnehmen.“
Damit die Bürger beim Wässern der städtischen Bäume helfen, schickte just am Anfang dieser Woche die Stadt Kamen wieder eine entsprechende Bitte per Pressemitteilung heraus. Wir berichteten.
Schäden durch Astbruch und Baumsturz: Wer haftet?
Ansprüche entstehen gem. § 823 Abs. 1 BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Das bedeutet, dass der für die Verkehrssicherung eines Baumes Verantwortliche – entweder ein Privateigentümer oder wie hier die Kommune – für jeden Sach- und Personenschaden sowie Vermögensschäden haftet, der durch den Baum verursacht wird, sofern ihm eine Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht vorwerfbar ist und der Schaden kausal auf diese Pflichtverletzung zurückzuführen ist.
Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht
Gerade bei Astbruch, Entwurzeln oder Erkrankung eines ganzen Baumes ist es von entscheidender Bedeutung, ob der Eigentümer seiner Kontrollpflicht in ausreichendem Umfang nachgekommen ist. In seiner Grundsatzentscheidung vom 21.01.1965 hat der BGH noch heute gültige maßvolle Regeln aufgestellt (BGH III ZR 217/63):
Der Baum ist in gewissen Intervallen einer sorgfältigen Sichtkontrolle vom Boden aus zu unterziehen. Eine fachmännische Untersuchung ist bei Feststellung verdächtiger Umstände zu veranlassen (vgl. auch OLG Düsseldorf vom 23.07.2013).
Die äußere Besichtigung hat sich dabei auf den gesamten Baum zu erstrecken und in regelmäßigen Abständen auch den Stammfuß zu erfassen, der der Gefahr einer Pilzinfektion ausgesetzt ist.
Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt erst dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind. Solche Anzeichen können beispielsweise sein: trockenes Laub, dürre bzw. verdorrte Äste, äußere Beschädigungen, ein hohes Alter des Baums (aber nicht für sich genommen), der Erhaltungszustand, seine Stellung und sein statischer Aufbau.
Ein Großteil der Oberlandesgerichte fordert eine zweimal jährlich erfolgende Sichtkontrolle – einmal im belaubten, einmal im entlaubten Zustand. Der BGH hat auf diese OLG-Rechtsprechung verwiesen, betont aber auch, dass es immer einer Prüfung im Einzelfall bedarf (vgl. BGH Urteil vom 04.03.2004 – III ZR 225/03).
Tritt höhere Gewalt ein – zum Beispiel ein starker Sturm wie in Unna am 31. März 2015 – besteht dagegen in den meisten Fällen keine Haftung, da auch ein gesunder Baum brechen kann und nicht jeder vorgeschädigte Baum entfernt werden muss.
Sofern sich dem Pflichtigen allerdings der Verdacht aufdrängen musste, dass der Baum dem nächsten Sturm nicht standhalten wird und ihm ein rechtzeitiges Eingreifen mit angemessenen und zumutbaren Mitteln möglich war, scheidet eine Haftungsfreistellung aufgrund höherer Gewalt aus. (Quelle HIER)