Bezahlkarte für Asylbewerber: Warum die Stadt Unna darauf verzichten will

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Junger Asylbewerber - Fotoquelle Pixabay

Mit der Karte darf maximal 50 Euro pro Monat abgehoben werden – alle anderen Einkäufe erfolgen bargeldlos. An der Höhe der Sozialleistungen (hier die Regelsätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz) als solche ändert sich nichts.

NRW-Städte klären derzeit, ob sie die vom Land eingeführte Bezahlkarte für Asylbewerber einführen – oder aufgrund einer Ausnahmeregel verzichten. Zu diesen Kommunen gehört auch Unna.

Für die nächste Sitzung des Integrationsrates am 17. Februar ist eine entsprechende Vorlage der Verwaltung vorbereitet.

Zur Begründung schreibt die Stadt darin:

„Am 07.01.2025 ist die Verordnung zur flächendeckenden Einführung einer Bezahlkarte im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) (Bezahlkartenverordnung NRW-BKV NRW) in Kraft getreten. Sie soll die landeseinheitliche Form der Leistungserbringung für Leistungen nach dem AsylbLG gewährleisten und gilt sowohl für die Leistungsbehörden des Landes als auch der Gemeinden und Gemeindeverbände nach dem AsylbLG.

Hiervon betroffen sind:

  • Alle volljährigen Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher
    • Bei Bedarfsgemeinschaften kann zum gemeinsamen Wirtschaften eine Bezahlkarte als Hauptkarte mit weiteren Bezahlkarten als Partnerkarten zugeteilt werden.
    • Minderjährige Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher, welche mit ihren Erziehungsberechtigten zusammenleben, erhalten ihre Leistungen auf die Bezahlkarte eines erwachsenen Erziehungsberechtigten.

Die Leistungserbringung erfolgt in der Regel in Form der Bezahlkarte (sofern in Fällen gem. §§ 3 ff. AsylbLG nicht die Deckung durch Sachleistungen vorgesehen ist). Ausnahmen bestehen in verschiedenen Fällen der Erwerbstätigkeit oder Berufsausbildung.

Der Gesetzgeber hat eine Bargeldauszahlungsmöglichkeit in Höhe von in der Regel 50 € festgelegt.

§ 4 BKV NRW – Opt-Out Regelung

Die Opt-Out Regelung ermöglicht der Kreisstadt Unna abweichend von den Regelungen dieser Verordnung zu beschließen, dass die Leistungen nach dem AsylbLG im Regelfall nicht in Form der Bezahlkarte erbracht werden.

Die Verwaltung empfiehlt, von dieser Regelung Gebrauch zu machen. Die Bezahlkarte hat bei den derzeitigen öffentlichen Verhältnissen in Unna keine Vorteile, würde aber einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeuten.

Zur Begründung erläutert die Stadt:

„Da Asylbewerber in der Regel schon kurzfristig nach Ankunft in der Kommune über ein Bankkonto verfügen und finanzielle Hilfen möglichst unkompliziert und unbürokratisch über dieses Konto erhalten können, entstehen mit der Einführung einer Bezahlkarte keine Vorteile gegenüber der aktuellen Praxis.

Im Vergleich zur Überweisung der Asylbewerberleistung auf ein Konto wird bei Einführung einer Bezahlkarte in mehrfacher Hinsicht ein höherer Aufwand erzeugt. Lediglich in dem Fall, dass Sachleistungen durch die Bezahlkarte ersetzt werden, könnte sich eine Entlastung ergeben. Um diese geht es im Regelfall der Sachbearbeiter allerdings nicht.

Im Unterschied zu den Landeseinrichtungen, in denen bislang einmal wöchentlich die Ausgabe von Bargeld erfolgte, findet diese Praxis in der kommunalen Leistungsgewährung der Stadt Unna keine Anwendung. In Einzelfällen kommt es zu Auszahlungen per Scheck, ansonsten wird der Zahlungsverkehr über das persönliche Girokonto der Leistungsempfänger abgewickelt.

„Da die Kreisstadt Unna zum 13.01.2025 lediglich 21 laufende Fälle der Asylbewerberleistung hat, steht aber vor allem der verwaltungstechnische Aufwand in keinem Verhältnis.“

In keinem Verhältnis stehe dieser Aufwand erstens zu den geringen Fallzahlen und zweitens zu den für diesen Personenkreis formulierten bundes- und landespolitischen Zielen, hierdurch die Flucht- oder Migrationsmöglichkeiten, etwa durch die Verhinderung der Bezahlung von Schleusern, zu reduzieren.

Hintergrund der geringen Fallzahlen: Die Erstaufnahmeeinrichtung EAE Massen

Die Erstaufnahmestelle EAE Massen. (Foto RB)

Seit Jahren sind die für Unna maßgeblichen Aufnahmequoten übererfüllt. Zum einen die Quote zur Wohnsitzauflage (111 % zum 12.01.2025), zum anderen die Flüchtlingsaufnahme-Quote (FlüAG) (180 % zum 10.01.2025).

Die sogenannte FlüAG-Quote, nach der im Asylverfahren befindliche Menschen aus den Landesaufnahmeeinrichtungen in die Kommunen verteilt werden, ist in Unna insbesondere durch die Anerkennung der Kapazitäten der Landeserstaufnahmeeinrichtung (Landesstelle Massen) in der Regel deutlich übererfüllt. Eine Zuweisung findet daher auf diesem Weg nur in wenigen Einzelfällen statt.

Fazit

„Die Leistungsgewährung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz spielt im Alltag des Sozialamts der Kreisstadt Unna quantitativ eine untergeordnete Rolle. Im Vergleich zur Auszahlung von Geldleistungen auf ein Konto dürfte der Aufwand durch die Einführung einer Bezahlkarte eher steigen„, heißt es in der Vorlage der Stadt.

„Der Aufwand für Einführung und Umsetzung einer Bezahlkarte, als paralleles Verfahren in der Verwaltungs- und Auszahlungspraxis der Kreisstadt Unna, ist vor allem auf Grund der geringen Fallzahlen unwirtschaftlich und daher aus Sicht der Verwaltung zum derzeitigen Zeitpunkt abzulehnen. Die Erfahrung anderer Kommunen hinsichtlich des Bewirtschaftungsaufwandes sollen abgewartet werden.

Sollte sich die Zuwanderungssituation oder der mit der Einführung verbundene Bearbeitungsaufwand ändern, könnte von der Anwendung der Opt-Out Regelung abgesehen werden. In diesem Fall würde die Verwaltung eine entsprechende Beschlussfassung vorbereiten.“


Warum andere Städte „Nein, danke“ sagen

In den 55 Landesunterkünften ist die Bezahlkarte laut dem Grünen NRW-Ministerium schon gestartet. Ab dem zweiten Quartal soll die Karte schrittweise in den Städten und Gemeinden starten, die mitmachen wollen.

Der Rat der Landeshauptstadt lehnte die Bezahlkarte am Donnerstag ab. Das Argument der Mehrheit im Düsseldorfer Stadtrat lautete wie in Unna: Da Geld ohnehin nur in Ausnahmefällen bar ausgezahlt werde, sondern in der Regel auf ein Konto, sehe man keine Vereinfachung oder Verbesserung, sondern allein eine Stigmatisierung von Geflüchteten.

In Köln ist das Bündnis aus CDU, Grünen und Volt in der Bezahlkarten-Frage bisher uneins. In Duisburg gab es schon 2024 einen Ratbeschluss contra Karte. Um die Opt-Out-Regel zu nutzen, müssen die Kommunen aktiv ihren Verzicht gegenüber dem Land erklären.

Auch in Dortmund oder Münster wird die Karte absehbar nicht kommen. Es gebe keine Hinweise auf flächendeckenden Missbrauch von Sozialleistungen, die einen so tiefgreifenden Eingriff in die Rechte der Asylbewerber rechtfertigen würden, behauptete die SPD in Dortmund. Die Karte solle ein Problem lösen, das es nicht gebe.

Im Landtag sorgt die Entwicklung für geteilte Reaktionen. Die Grünen verteidigten, dass Städte beim vorhandenen Modellen bleiben, „wenn sie es unbürokratischer und passender“ finden. „In den Städten und Gemeinden herrscht das reinste Durcheinander“, kritisiert dagegen die SPD. Die FDP hält die von der schwarz-grünen Landesregierung eingeführte Bezahlkarten-Regelung in NRW für „planlos und ideologisch“.Die AfD verlangte eine „umgehende Rücknahme der Opt-Out-Regelung“.

Der CDU-Innenxperte im Landtag, Gregor Golland, sagte dem WDR: „Leider lehnen insbesondere Städte mit linken Mehrheiten die sinnvolle und richtige Bezahlkarte ab.“ Das werde sich negativ auswirken und konterkariere die sinnvolle Einführung.

Kritik an der Bezahlkarte wird seit vielen Monaten unter anderem von Hilfsorganisationen geäußert. Die Länder hätten die Bezahlkarte „ziemlich unverblümt als Diskriminierungsinstrument zur Abschreckung von Geflüchteten konzipiert“, so Pro Asyl. Diese Kritik teilt auch der Flüchtlingsrat NRW. Befürworter der Karte argumentieren, mit ihr würden Verwaltungen entlastet und Zahlungen an Schleuser oder Angehörige im Ausland könnten verhindert werden.

Die Grünen hatten eine Bezahlkarte für Asylbewerber lange abgelehnt. In der Koalition mit der CDU stimmten sie zu – aber mit Opt-Out-Klausel.

NRW führt die Karte gemeinsam mit 13 weiteren Bundesländern ein. Allein in NRW kostet das in diesem Jahr rund 12 Mio. Euro. Der Auftrag der Länder ging an ein Konsortium, an dem die Kreditkartenfirma Visa beteiligt ist.

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