Statt Fahrradstraße nur Geh-/Radweg am Afferder Weg: Unnas Radclub auf den Barrikaden

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6 nebulöse Meter: Der wahrscheinlich kürzeste Radweg in Stadt und Kreis Unna - am Afferder Weg/Königsborner Straße. Foto Kerstin Luette

„Alter Wein aus alten Schläuchen:“ Der Radclub ADFC lehnt die aktuellen Pläne der Stadt für den Afferder Weg entschieden ab.

Mit den neuen Planungsentwürfen der Verwaltung zum Umbau der West-Ost-Achse zwischen Massen und Königsborn werde ein weiteres Mal die Quadratur des Kreises versucht.

„Der Entwurf macht keinen mutigen Schritt nach vorne, im Gegenteil: Er bleibt hinter den eigens gesteckten Ansprüchen zurück“, kritisiert der Club.

Der Verwaltungsvorschlag versuche,

den Geh- und Radverkehr auf den Seitenrand der Straße zu verdrängen und vermischt diesen, damit der weiterhin hohe Anteil an KFZ-Verkehr freie Bahn hat“,

moniert die Fahrradlobby.

„Die Folge davon ist wie so oft: In beengten
Verhältnissen müssen sich Radfahrer aus zwei Richtungen mit Fußgängern aus zwei Richtungen auf kleinster Fläche begegnen.

Das alles steht im absoluten Widerspruch zum aktuell in der Diskussion befindlichen Masterplans Mobilität, der zu Recht auf entsprechenden Mindestmaße
und Vorgaben, z.B. von der ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) hinweist.“

Obwohl sich diese Richtlinie aktuell in der Überarbeitung befindet, weise sogar das Regelwerk aus dem Jahr 2010 eindeutige Ausschlusskritierien für gemeinsame Geh- und Radwege vor, betont der ADFC.

„So ist eine Hauptverbindung des Radverkehrs nicht geeignet, um einen gemeinsamen Geh- und Radweg einzurichten. Mit dem beschlossenen Zielnetz 2025 liegt eine solche Hauptverbindung zwischen der Einmündung Friedrich-Ebert-Straße
bis zum Bahnhof Unna-Massen vor und betont die Wichtigkeit dieser Radwegeverbindung.

Weiterhin empfiehlt auch der noch im Entwurf befindliche Masterplan Mobilität die Gestaltung des Afferder Wegs nach Maßgabe der Novellierung der ERA.

Ebenso kritisch zu bewerten sind die dichte Folge von angrenzenden Häusern, die zahlreichen untergeordneten Knotenpunkts- und Grundstückszufahrten bei beengten Verhältnissen. Auch diese Gründe sind zwei eindeutige Ausschlusskriterien für einen gemeinsamen Geh-und Radweg.“

Mit der Nähe zu angrenzenden Wohnhäusern kämen zusätzlich noch Engstellen vor der Einmündung zur Friedrich-Ebert-Straße, die das Mindestmaß eine Geh- und Radwegs unterschreiten. Dies erfülle nicht den Anspruch an moderne Radverkehrsanlagen, wie es im Masterplan Mobilität formuliert werde.

Nicht ohne Grund sei dieser Vorschlag daher bereits 2021 schon einmal verworfen wurden.

„Es braucht durchgehende, klar erkennbare Verbindungen statt enges Durchgewurschtel!“

Der ADFC versteht nicht, „warum ernsthafte Maßnahmen zur wirksamen Reduktion des MIV-Anteils im Planungsgebiet nicht erwogen werden – schließlich steht mit Hansa- und Friedrich-Ebert-Straße eine leistungsfähige Hauptstraße für den KFZ-Verkehr zur Verfügung.

„Insbesondere weil schon beim Ausbau der Hansastraße auf sichere Radverkehrsanlagen zugunsten von Parkmöglichkeiten verzichtet wurde, sieht der ADFC es als sinnvoll an, nun in der Nebenstraße nicht den gleichen Fehler erneut zu machen.“

Für den ADFC ist daher klar, „dass der vorgelegte Entwurf keine ernsthafte Option ist und die Verwaltung erneut prüfen muss, wie die Ost-West-Achse zwischen Massen und Königsborn für den Radverkehr sicher und durchgehend gestaltet werden kann.“

Der ADFC ist ebenso darüber enttäuscht, dass seine bereits abgegebene Stellungnahme von der Verwaltung lediglich zur Kenntnis genommen wurde: „Eine Reaktion auf die dort aufgeführten Argumente findet sich in der Beschlussvorlage nicht.“

Pressemitteilung:
Tanja Bork | Carsten Hellmann,
Sprecherinnenteam ADFC Unna

Der Vorschlag der Stadt

1. Sachverhalt:

Zwischen Massen und Unna-Kernstadt bzw. Königsborn verläuft über den Massener Hellweg und die Hansastraße eine West-Ost-Hauptverkehrsachse, die überwiegend von dem motorisierten Individualverkehr genutzt wird. Nördlich von dieser Achse gibt es eine Verbindung, die gerne von Fahrradfahrenden genutzt wird, etwa von Schülerinnen und Schülern, die von Massen zu den weiterführenden Schulen fahren („West-Ost-Fahrradachse“). Sie beginnt in Massen auf der Königsborner Straße ab der Kreuzung Königsborner Straße/Mittelstraße in einem gemischten Wohngebiet und führt an der Hellweg-Realschule vorbei bis zur Unterführung BAB A1. Hier gibt es auf der Fahrbahn keine Trennung zwischen dem KFZ- und dem Fahrradverkehr. Ab der Unterführung BAB A1 verläuft die Königsborner Straße als ausgeschilderte Fahrradstraße ohne KFZ-Verkehr auf freier Strecke, führt unter dem neuen Schwarzen Weg hindurch und mündet hinter der Bahnunterführung S4 (ab hier mit KFZ-Verkehr) bevorrechtigt auf den Afferder Weg. Ab dort verläuft die West-Ost-Achse (mit KFZ-Verkehr) wieder auf der Fahrbahn durch bebautes Gebiet. An der Einmündung Kornstraße ist der von Westen kommende Verkehr an einer abknickenden Vorfahrt wartepflichtig.

Zwischen Kornstraße und Friedrich-Ebert-Straße wird der Radverkehr derzeit im südlichen Bereich auf der Straße und im nördlichen Bereich über einen gemeinsamen Geh- und Radweg geführt. Dieser Geh- und Radweg hat eine für die Funktion eher unzureichende Breite und kann daher als Lücke in der Routenführung bezeichnet werden. Die bevorrechtigte Friedrich-Ebert-Straße wird über eine Lichtsignalanlage gequert. Von dort geht es durch die Parkstraße über die Fahrbahn bis hin zur Hammer Straße. Damit werden die Berufsschulen, die Kreisverwaltung, der Kurpark, die Erich-Göpfert-Stadthalle und das Schulzentrum Nord mit dem entstandenen Bildungscampus erreicht, ebenfalls die Schwimmsporthalle.

Diese West-Ost-Fahrradachse ist eine direkte Verbindung zwischen den weiterführenden Schulen in Massen und Königsborn mit einer Radverkehrsfrequentierung von rd. 500 Fahrrädern pro Tag. Um den Radverkehr zu stärken, ist eine sichere und komfortable Radverkehrsverbindung zu schaffen, um insbesondere Gefahren für die Schülerinnen und Schüler zu minimieren. Auf der gesamten West-Ost-Achse ist dies jedoch nicht immer gegeben, z. B. im Abschnitt zwischen Kornstraße und Friedrich-Ebert-Straße. Um die Qualität der Radverkehrsverbindung zu verbessern, hat die Verwaltung angedacht, folgende Maßnahmen zu prüfen, sie mit den an einer Verkehrsanordnung beteiligten Stellen abzustimmen und nach der Umsetzung zu evaluieren. Die Beschlussvorlage 0633/22 sah folgendes Prüfungsschema vor:

–          Einrichtung einer Fahrradstraße auf der Königsborner Straße zwischen Mittelstraße und Unterführung BAB A1

–          Einrichtung einer Fahrradstraße zwischen der Unterführung BAB A1 und der Kornstraße

–          Einrichtung einer Fahrradstraße auf dem Afferder Weg zwischen Kornstraße und Friedrich-Ebert-Straße

–          Einrichtung einer Fahrradstraße auf der Parkstraße von Friedrich-Ebert-Straße bis Hammer Straße.

Die Beschlussvorlage 0633/22 wurde am 30.08.2022 im Ausschuss FSO beraten und die Maßnahmen erörtert. Der Ausschuss nahm die Beschlussvorlage zur Kenntnis.

Am 14.09.2022 wurde die Vorlage ebenfalls im Ausschuss ASM eingebracht. Nach Erörterung der Sachlage wurde beantragt, im Afferder Weg im Rahmen der Errichtung der Fahrradstraße sowie in der Umsetzungsphase weitergehende Sicherheitsmaßnahmen zu prüfen, um eine Trennung der Verkehre zu bewirken und dadurch eine noch höhere Sicherheit für den Fahrradverkehr zu erreichen. Ebenso wurde beantragt, auf dem Teilstück des Afferder Weges zwischen Kornstraße und Friedrich-Ebert-Straße eine Einbahnstraße in östlicher Fahrtrichtung einzurichten. Die Anträge wurden ergänzend zum Beschlussvorschlag der Verwaltung mehrheitlich angenommen.

Wegen Unstimmigkeiten bezüglich der Zuständigkeitsfrage wurde am 16.09.2022 Einspruch gemäß § 57 Abs. 4 GO NRW i.V.m. § 29 Abs. 1 Geschäftsordnung der Kreisstadt Unna erhoben. Der Einspruch richtete sich gegen den Beschluss, eine Fahrradstraße und eine Einbahnstraße auf der West-Ost-Fahrradachse zwischen Massen und Königsborn (Kornstraße und Afferder Weg) einzurichten. Denn in der Ausschusssitzung des FSO am 30.08.2022 wurde der Tagesordnungspunkt aufgrund eines akzeptierten Beratungsbedarfs nicht beschlossen. Zudem war die Einbahnstraße bei diesem Ausschusstermin kein Bestandteil der durch die Verwaltung vorgelegten Beschlussvorlage. Es wurde darum gebeten, dass der Bürgermeister dem Rat den Einspruch in seiner nächstmöglichen Sitzung zur Entscheidung vorlegt und über die ursprüngliche Beschlussvorlage 0633/22 erneut abstimmen lässt.

In der Ratssitzung am 22.09.2022 wurde nach langer Diskussion dem Einspruch mehrheitlich stattgegeben und mehrheitlich beschlossen, dass der Rat selbst erneut über die Beschlussvorlage 0633/22 entscheidet. Es wurde zudem mehrheitlich beschlossen, die in der vorgenannten Beschlussvorlage beschriebenen Maßnahmen zur Verbesserung der Radverkehrssituation auf der West-Ost-Fahrradachse zwischen Massen und Königsborn grundsätzlich einzurichten. Die Funktion und Wirksamkeit der Maßnahmen sollen beobachtet werden, ggf. ist nachzusteuern. Ergänzend wird die Verwaltung beauftragt, die Fahrradstraße für Radfahrende sicherer und attraktiver zu gestalten und Maßnahmen zur Abgrenzung von parkenden Fahrzeugen, zur Reduktion der Verkehrsbelastung durch Kfz und Glättung von Oberflächen zu prüfen. Um die Wirksamkeit der in Frage kommenden Maßnahmen zu bewerten, sollen Träger öffentlicher Belange, insbesondere die Polizei und die Unfallkommission zur Beratung hinzugezogen bzw. ggf. um Genehmigung ersucht werden.

Nach dem Beschluss des Rates wurde der Bereich Öffentliche Sicherheit und Ordnung zusammen mit dem Bereich Tiefbau beauftragt, an der Prüfung und Umsetzung der Fahrradachse zu arbeiten. Die Verwaltung hat bei der PlanerSocietät ein entsprechendes Konzeptpapier beauftragt mit dem Ziel, wie auf der West-Ost-Fahrradachse eine Fahrradstraße bzw. Fahrradstraßen dargestellt und ausgebildet werden können.

In der Sitzung des FSO am 05.09.2023 wurden die Inhalte des Konzeptpapiers der PlanerSocietät präsentiert. Seitens der Verwaltung wurden alle Möglichkeiten, aber auch ernsthafte Bedenken zur Umsetzung der Fahrradstraße (bzw. der Fahrradstraßen) erläutert. Es folgte in der Sitzung eine lebhafte und kontroverse Diskussion.

Nach der Sitzung des FSO wurde das Konzeptpapier der PlanerSocietät an alle im Rat vertretenden Fraktionen, den ADFC, die beiden Ortsvorsteher, die Polizei, StraßenNRW, Kreis Unna und an die Feuerwehr Unna mit der Bitte um Stellungnahme gesendet.

Am 19.10.2023 wurden durch das Ordnungsamt die vorliegenden Stellungnahmen und auch nochmals das Konzept verschickt. Zusätzlich wurde eine Beschlussvorlage aus dem Jahr 2021 zum Ausbauprogramm Radinfrastruktur 2021 bis 2025 zur Verfügung gestellt. Hier wurde explizit auf die Anlage 1 Ausbauprogramm Radinfrastruktur Seite 4 Nr. 4 (Schulachse zwischen Massen und Königsborn) hingewiesen. Vorgesehen waren in jener Vorlage folgende Maßnahmen:

  • Prüfauftrag zur Einrichtung einer Fahrradstraße auf der Königsborner Straße im Abschnitt zwischen der A1 und der Mittelstraße (d.h. bis zur Hellweg Realschule)
  • Prüfauftrag zur Einrichtung einer Fahrradstraße auf dem Afferder Weg im Abschnitt zwischen Kornstraße und Königsborner Straße nach erfolgtem Umbau der Einmündungssituation
  • Verbreiterung des gegenläufigen Radweges auf der Nordseite des Afferder Weges im Abschnitt zwischen Kornstraße und Friedrich-Ebert-Straße
  • Verbreiterung und Ausbau eines gegenläufigen Radweges auf der Nordseite der Parkstraße im Abschnitt bis zur Platanenallee einschließlich der notwendigen Querungssituationen und Bushaltestellen
  • Umgestaltung der Einmündung Parkstraße in die Hammer Straße zur transparenten Radführung in alle Richtungen.

Der Beschluss weicht zum Teil von dem Beschluss zur Fahrradstraße im ASM bzw. Rat aus dem Jahr 2022 ab.

In der Sitzung des FSO am 21.11.2023 hat die Verwaltung anhand einer Präsentation den aktuellen Sachstand der Fahrradstraße bzw. der Fahrradstraßen vorgestellt. Einzelne Stellungnahmen der Fraktionen lagen vor, von anderen gab es keine Rückmeldung. Es wurde um Übersendung der fehlenden Stellungnahmen gebeten.

Die Präsentation wurde den Fraktionen nach der Sitzung zur Verfügung gestellt.

Im FSO am 20.02.2024 wurde nach dem Bearbeitungsstand gefragt. Die Verwaltung hat zugesagt, dass ein Konzept erstellt und dem Ausschuss dann vorgestellt wird.

Weitergehende Rückmeldungen der Fraktionen gab es nicht.

2. Verwaltungsvorschlag zur Umsetzung der West-Ost-Fahrradachse von Massen nach Königsborn

Die Kreisstadt Unna strebt eine Stärkung der aktiven und nachhaltigen Mobilität an. Um zeitnah konkrete Verbesserungen am Radverkehrsnetz und der -infrastruktur vornehmen zu können, soll eine attraktive, komfortable und sichere Wst-Ost-Achse im Radverkehr geschaffen werden. Die PlanerSocietät wurde beauftragt, ein entsprechendes Konzept zu erstellen. Ziel des Konzepts ist es, auf Grundlage der Rahmenbedingungen und Voraussetzungen zur Einrichtung von Fahrradstraßen und unter der Berücksichtigung der Bestandsanalyse eine umsetzungsfähige Planung mit konkreten Maßnahmenempfehlungen vorzulegen.

a)      Grundlagen zu Fahrradstraßen

Für die Anordnung von Verkehrszeichen, Verkehrseinrichtungen und Markierungen ist die örtliche Straßenverkehrsbehörde zuständig. Vor der Anordnung einer Fahrradstraße ist eine Prüfung auf Grundlage des § 45 StVO und der VwV-StVO zu Zeichen 244.1 und 244.2 erforderlich. Ein planerischer oder politischer Beschluss allein ist hierzu nicht ausreichend, da die Anordnung einer Fahrradstraße (ebenso einer Fahrradzone) eine Verkehrsbeschränkung gemäß StVO darstellt und somit einer Rechtfertigung bedarf, die sich aus der StVO, ggf. im Zusammenspiel mit anderen Vorschriften, ergeben muss. Die Anordnung einer Fahrradstraße kann erfolgen

–          aus Gründen der Verkehrssicherheit oder der Ordnung des Verkehrs (Generalklausel gemäß § 45 Absatz 1 Satz 1 StVO) oder

–          zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung (§ 45 Absatz 1b Nummer 5 StVO).

In der überwiegenden Zahl der Fälle dürfte die Anordnung einer Fahrradstraße aus Gründen der Verkehrssicherheit oder der Ordnung des Verkehrs erfolgen, wobei das Vorliegen eines Tatbestandes ausreichend ist. Zur Ordnung des Verkehrs zählen der ruhende Verkehr sowie die Flüssigkeit und Leichtigkeit des fließenden Verkehrs.

Zusätzlich zu den Anordnungsvoraussetzungen der StVO sind die Bestimmungen der VwV-StVO zu berücksichtigen. Hierzu muss für die Anordnung einer Fahrradstraße gemäß VwV zu Zeichen 244.1 und 244.2 eine der nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sein:

–          Auf der Straße ist eine hohe Fahrradverkehrsdichte vorhanden oder zu erwarten.

–          Die Straße hat eine hohe Netzbedeutung für den Radverkehr.

–          Die Straße ist für den Kfz-Verkehr von lediglich untergeordneter Bedeutung.

Die untergeordnete Bedeutung für den Kfz-Verkehr wird in den VwV-StVO ebenfalls nicht weiter festgelegt. Diese Entscheidung obliegt somit dem pflichtgemäßen Ermessen der Straßenverkehrsbehörden. Als Orientierung können hier geringe Kfz-Verkehrsstärken von weniger als 1.000 Fahrzeugen am Tag dienen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Bewertung der Kfz-Netzhierarchie, also z.B. ob die Straße außerhalb des Vorrangnetzes für den Kfz-Verkehr liegt. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Anordnung einer Fahrradstraße im Hinblick auf den Kfz-Verkehr vertretbar sein muss, d.h. für diesen ist eine alternative Streckenführung vorhanden. Dies kann jedoch auch mit einem Umweg gegenüber der ursprünglichen Führung einhergehen.

Fahrradstraßen sind laut Straßenverkehrsordnung (StVO) Straßen (richtigerweise Fahrbahnen), die ausschließlich dem Radverkehr und Elektrokleinstfahrzeugen vorbehalten sind. Gekennzeichnet werden sie durch das Verkehrszeichen 244.1. Es gilt die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h für den Radverkehr. Anderer Verkehr, wie allgemeiner Kfz-Verkehr oder Kfz-Anliegerverkehr kann per Zusatzbeschilderung in Fahrradstraßen ausnahmsweise zugelassen werden (Höchstgeschwindigkeit 30 km/h wie Radverkehr). Radfahrende dürfen in Fahrradstraßen grundsätzlich nebeneinander fahren. Wenn Kfz-Verkehr zugelassen ist, darf dieser den Radverkehr weder gefährden noch behindern. An Einmündungen und Knotenpunkten gilt ohne vorfahrtsregelndes Verkehrszeichen die Rechts-vor-Links-Regelung.

Fahrradstraßen sind, abseits von Straßen übergeordneten Verkehrs, dem klassifizierten Hauptverkehrsnetz, anzuordnen. Eine Einrichtung auf dem Kfz-Vorbehaltsnetz ist grundsätzlich möglich. Eine Überschreitung des Orientierungswertes der prognostizierten Kfz-Verkehrsstärke von bis zu 2.500 Kfz/24 h wird jedoch nicht empfohlen. Hierauf verweist auch der Leitfaden Fahrradstraßen des AGFS, wo es heißt: „Ist zu erwarten, dass die prognostizierte Verkehrsbelastung in Fahrradstraßen mit Kfz-Verkehr den genannten Orientierungswert von 2.500 Kfz/24 h wesentlich übersteigt, wird die Einrichtung einer Fahrradstraße zugunsten der Verkehrssicherheit nicht empfohlen. Liegen höhere Kfz-Mengen vor bzw. sind diese auch zukünftig zu erwarten, ist eine entsprechende Verlagerung des Kfz-Verkehrs zu prüfen bzw. sollte für die Fahrradstraße ein anderer Straßenzug gewählt werden.“

b)      Bestandsanalyse

Die Verkehrsachse Parkstraße/Afferder Weg/Königsborner Straße weist in ihrem Verlauf unterschiedliche räumliche und verkehrliche Gegebenheiten auf, so dass eine abschnittsweise Bewertung der Infrastruktur und Besonderheiten erforderlich ist. Deutlich wird dies insbesondere anhand der Verkehrsbelastung.

Eine besonders hohe Verkehrsstärke wird dabei auf dem Afferder Weg zwischen Kornstraße und Parkstraße mit >7.000 Kfz/24 h erreicht. Die Parkstraße folgt mit rund der Hälfte des Verkehrsaufkommens (rd. 3.800 Kfz/24h) mit weitem Abstand an zweiter Stelle. Etwas weniger Kfz-Verkehr ist auf dem Afferder Weg zwischen Königsborner Straße und Kornstraße zu finden, und zwar mit rd. 2.800 Kfz/24 h.

Gemein ist allen drei Werten, dass sie den Orientierungswert der prognostizierten Kfz-Verkehrsstärke von 2.500 Kfz/24 h übersteigt. Lediglich im Abschnitt der östlichen Königsborner Straße wird mit rd. 1.300 Kfz/24 h dieser Wert eingehalten.

Je höher das Ungleichgewicht zwischen diesen beiden Verkehrsteilnehmenden im Mischverkehr ist, desto unverträglicher ist die gemeinsame Führung auf der Fahrbahn. Die Attraktivität und Sicherheit im Radverkehr sinken.

Bezüglich der Bestandsaufnahme wird auf das Plankonzept der PlanerSocietät (s. Anlage) verwiesen.

c)       Maßnahmenempfehlung der Verwaltung

Die Bestandsaufnahmen, insbesondere die Höhe des KFZ-Verkehrs in einzelnen Bereichen machen deutlich, dass neben der Beschilderung der Fahrradstraße mit VZ 233.1/2 flankierende Maßnahmen erforderlich sind oder ggf. auf eine Ausweisung einer Fahrradstraße verzichtet werden sollte. So zeigen die aktuellen Verkehrszahlen, dass die Ausweisung einer Fahrradstraße insbesondere auf dem Afferder Weg zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Kornstraße sowie auf der Parkstraße nur dann gelingen kann, wenn der Fahrzeugverkehr deutlich reduziert wird. Ist dies nicht möglich, ist zumindest der Straßenraum so zu gestalten, dass er für den Radverkehr möglichst attraktiv, sicher und komfortabel ist. Alternativ ist für die Fahrradstraße ggf. ein anderer Straßenzug zu wählen.

Im Straßennetz der Stadt sind nach ihrer kommunalen Verkehrsbedeutung zwei Hauptgruppen von Straßen zu unterscheiden:

–          Übergeordnete Straßen, die das Vorbehaltsnetz bilden

–          Anliegerstraßen, die als Anliegerstraßennetze die nachgeordneten Erschließungssysteme für die einzelnen Wohn- und Gewerbegebiete bilden.

–           

Das Vorbehaltsnetz der übergeordneten Straßen stellt das Hauptgerüst des Straßennetzes der Stadt dar. Es wird gebildet aus

–          Hauptverkehrsstraßen,

–          Verkehrsstraßen und

–          Sammelstraßen.

Auf diesen Straßen wird der Verkehr zwischen den Stadtteilen und der in die Stadt hinein- beziehungsweise herausfließende Verkehr abgewickelt. Somit sind die Straßen des übergeordneten Straßennetzes zum Teil hoch belastet.

Das Vorbehaltsnetz wird in der Regel mit Tempo 50 befahren und ist entsprechend ausgebaut.

Bei der Erstellung der Maßnahmenempfehlung wurden die Stellungnahmen der Polizei, der Feuerwehr, StraßenNRW und der Straßenverkehrsbehörde des Kreises Unna berücksichtigt. Jene Stellungnahmen stehen einer vollumfänglichen Ausweisung einer Fahrradstraße teilweise sehr kritisch gegenüber. Zu dem Verwaltungsvorschlag wurde ebenfalls eine Stellungnahme vom Kreis Unna und von der Polizei angefordert. Alle Stellungnahmen sind als Anlagen beigefügt. Auch die Anmerkungen des ADFC wurden durch die Verwaltung geprüft.

aa) Abschnitt 1: Parkstraße

Bei der Parkstraße handelt es sich um eine Straße im Vorbehaltsnetz. Die Parkstraße weist ein Verkehrsaufkommen von rd. 3.800 KFZ/24 h aus und liegt damit nennenswert über dem Orientierungswert von 2.500 KFZ/24 h. Die Verkehre, die zurzeit durch die Parkstraße fahren, können aufgrund der Bedeutung der Straße nicht umgeleitet werden. Eine Umlenkung würde nach Ansicht der Verwaltung auch durch zwei weitere Fahrradstraßen führen. Betroffen wären die Döbelner Straße und die Platanenallee.

Daher schlägt die Verwaltung vor, bei diesem Abschnitt auf eine Fahrradstraße zu verzichten. Um den Fahrradverkehr zu stärken und zu sichern, wird vorgeschlagen, die Nebenanlagen zu überplanen und zu erweitern. Der westliche Teil der Parkstraße wurde bereits überplant. Die Verwaltung beabsichtigt, den östlichen Teil der Parkstraße von der Hammer Straße bis zur Platanenallee ebenfalls zu überplanen (bzw. in Auftrag zu geben).

Der ruhende Verkehr soll neu geregelt werden. Die nördlichen Stellplätze im Bereich des Bildungscampus sollen aufgrund der geringen Seitenraumbreite entfallen, um dem Fußverkehr mehr Platz einzuräumen und damit die Barrierefreiheit und Verkehrssicherheit zu stärken. Es sollen die notwendigen und zulässigen Markierungen zum Schutz des auf der Straße befindlichen Radverkehrs (im südlichen Bereich) vorgenommen bzw. ergänzt werden.

An den signalisierten Knoten der Hammer Straße und Friedrich-Ebert-Straße wird die Einrichtung sogenannter ausgeweiteter Radaufstellflächen (ARAS) geprüft.

Diese Umgestaltung würde auch dem zuerst gefassten Beschluss aus dem Jahre 2021 zum Ausbauprogramm Radinfrastruktur 2021 bis 2025 entsprechen.

Die Einrichtung eines Zweirichtungsradweges wurde mittlerweile (nach Vorlage der Planung) auch rechtlich bewertet. Baulich angelegte Radwege dürfen nur nach sorgfältiger Prüfung und nach Sicherung der Konfliktpunkte (insbesondere Einmündungen und Grundstückszufahren) in Gegenrichtung freigegeben werden. Hierbei müssen für Fußgänger und Radfahrende bestimmte Breiten und Sicherheitsräume eingehalten werden. Nach durchgeführter Prüfung kann ein Zweirichtungsradweges in diesem Abschnitt nicht angeordnet werden. Die verfügbare Fläche ist für einen Zweirichtungsradweg und Fußverkehr nicht ausreichend, um die Verkehrsteilnehmenden gefahrlos aneinander vorbeizuführen.

Eine Geschwindigkeitsreduzierung von 50 km/h auf 30 km/h im westlichen Bereich der Parkstraße soll geprüft werden.

bb) Abschnitt 2: Afferder Weg

Auch der östliche Abschnitt des Afferder Weges sollte nicht als Fahrradstraße ausgebildet werden. Hier ist die Kfz-Belastung zu hoch. Ein Verkehrsaufkommen von über 7.000 KFZ/24 h übersteigt den Orientierungswert von 2.500 KFZ/24 h deutlich, er ist annähernd dreimal so hoch.

Eine alternative Fahrzeugroute für den KFZ-Verkehr ist nicht ersichtlich. Der Fahrzeugverkehr würde mangels Alternativen über den Kreisverkehr am Kreishaus fließen. Hierbei handelt es sich aber bereits derzeit um einen Unfallbrennpunkt. Weiterhin ist der Kreisverkehr bei der aktuell vorliegenden Verkehrsdichte bereits ausgeschöpft, so dass der Verkehrsfluss weiter stark beeinträchtigt würde. Dies würde sich auf alle Zufahrtsstraßen (Hammer Straße, Viktoriastraße, Friedrich-Ebert-Straße, Hansastraße) und den Verkehrsring (Kantstraße) negativ auswirken. Durch die hohe Auslastung des Kreisverkehrs am Kreishaus wäre auch eine Einbahnstraßenregelung in diesem Abschnitt nicht tragbar.

Am Knoten Afferder Weg/Friedrich-Ebert-Straße wird die Verwaltung die Möglichkeit der Reduzierung der vorhandenen Fahrspuren auf eine Spur prüfen.

Um den Radverkehr zu stärken, schlägt die Verwaltung für den östlichen Bereich des Afferder Weges eine Aufweitung des Geh- und Radweges im nördlichen Bereich vor. Im südlichen Bereich sollen die Parkplätze entfallen und der Gehwegbereich nach Möglichkeit erneuert werden. Da im nördlichen Bereich ein Zweirichtungsradweg nicht dargestellt werden kann, soll im südlichen Bereich ein Angebotsstreifen für Radfahrende eingerichtet werden. Ein Überplanung der Nebenanlage liegt der Verwaltung bereits vor (s. Anlage).

Alternativ könnte auch über eine Änderung der Fahrradroute nachgedacht werden, und zwar über den Radweg in nördlicher Richtung zur Vaersthausener Straße und durch den Kurpark zu den jeweiligen Schul- und Einrichtungskomplexen. Dies würde als Ausweichstrecke jedoch zu einem Umweg für Radfahrende führen. Inwieweit eine solche (alternative) Streckenführung angenommen wird, ist zweifelhaft. Jedenfalls dürfte ein bedeutsamer Teil der Radfahrenden weiterhin über den Afferder Weg und die Parkstraße fahren. Daher hält die Verwaltung zur Sicherheit der Radfahrenden an ihrem Ausbaukonzept fest. Die (alternative) Streckenführung kann aber als Ergänzung des Radverkehrsnetzes angeboten werden (siehe Mobilitätskonzept).

Der westliche Abschnitt des Afferder Weges soll als Fahrradstraße ausgewiesen werden. Auch hier liegen die Verkehrszahlen zwar über den Orientierungswerten. Die Überschreitung ist aber eher geringfügig, so dass nach Auffassung der Verwaltung die Ausweisung einer Fahrradstraße vertretbar ist. Ebenso wird sich die Verwaltung die Parkstände anschauen und voraussichtlich neu ordnen, um die Sicherheit der Radfahrenden zu erhöhen. Es wird auch überlegt, ggf. eine bauliche Fahrbahnverengung vorzunehmen.

Die Fahrradstraße soll vorfahrtsberechtigt vor den Ausfahrten der nördlich gelegenen Bebauung sein. Dies führt dann auch zu einer klareren Vorfahrtsregelung, da es in der Vergangenheit immer wieder zu Irritationen der Verkehrsteilnehmer/-innen kam. Ebenso ist zu prüfen, inwieweit dem Radfahrenden und den anderen Verkehrsteilnehmern/-innen im Bereich der Einmündung zur Kornstraße Vorfahrt gewährt werden kann.

Um den Kreishauskreisel, aber auch den Afferder Weg zu entlasten, werden die Wegweisungen geprüft. Ferner soll die Wegweisung am Kreisel Schwarzer Weg angepasst werden, um möglichst die ortsunkundigen Verkehrsteilnehmer/-innen, die nach Königsborn wollen, über die Hansastraße weiterzuleiten und nicht durch den Afferder Weg. Schließlich ist noch zu prüfen, inwieweit der LKW-Verkehr zur Sicherheit der Radfahrenden aus dem Afferder Weg umgelenkt werden kann.

Aus Gründen der Verkehrssicherheit soll die Fahrbahndecke der Königsborner Straße zwischen Afferder Weg und Schwarzer Weg saniert werden.

cc) Abschnitt 3: Königsborner Straße Ost

Auf der Königsborner Straße ist die bereits vorhandene Bevorrechtigung durch das VZ 306 (Vorfahrtszeichen) zu ersetzen und durch eine flächige Markierung zusätzlich zu verdeutlichen.

Eine barrierefreie Gestaltung der Poller sollte Berücksichtigung finden.

dd) Abschnitt 4: Königsborner Straße West

Im westlichen Teil der Königsborner Straße kann sich die Verwaltung vorstellen, bis zur Mittelstraße eine Fahrradstraße anzuordnen. Gleichfalls ist die Bevorrechtigung gegenüber den Einmündungen rechtlich anzuordnen und durch entsprechende Markierungen zu stützen.

Der ruhende Verkehr muss neu geordnet werden. Die Sicherheitstrennstreifen sind anzubringen.

Die Bushaltestelle der Hellweg-Realschule sollte zugunsten einer großzügigeren Aufstellfläche im Fußverkehr von einer Busbucht zu einer Fahrbahnrandhaltestelle umgebaut werden.

ee) Abschnitt 5: weiterer Abschnitt zur S-Bahn und Richtung Massen

Eine weitere Ausrichtung einer Fahrradstraße in Richtung S-Bahn und in Richtung Massen wird die Verwaltung perspektivisch prüfen.


Die Maßnahmenempfehlungen der Verwaltung für eine West-Ost-Fahrradachse zwischen Massen und Königsborn werden zustimmend zur Kenntnis genommen. Die Verwaltung wird beauftragt, auf Grundlage der Empfehlungen entsprechende Maßnahmen durchzuführen.

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