#Archiv: „Trau keiner Statistik…“ – Was sagt die „Polizeiliche Kriminalitätsstatistik“ wirklich über die Kriminalität aus?

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Archivbild, Pressekonferenz zur Vorstellung der Kriminalitätsstatistik bei der Kreispolizei Unna. (Foto RB)

„Straftaten im Kreis Unna auf Zehn-Jahres-Tief“, „Dortmund so sicher wie seit 15 Jahren nicht mehr“, „NRW so sicher wie seit 30 Jahren nicht mehr“:

Was seit einigen Jahren stets freudig bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistiken  landesweit und auch von den hiesigen Polizeibehörden freudig als „good news!“ verkündet wird, stieß bei der Leserschaft bislang statt auf Freude ganz überwiegend auf Ungläubigkeit bis Fassungslosigkeit, triefenden Spott bis buchstäblich Hohngelächter.

Abzulesen war das in den vergangenen Jahren (2017, 2018, 2019) stets überdeutlich an der immensen Zahl an „Lach-Emojis“ auf Facebook, die die Berichte über die laut Statistik so deutlich gestiegene Sicherheit quittierten.

Ausgerechnet auf der eigenen Facebookseite der Kreispolizei Unna  betrug die (Hohn-)Lachsmiley-Quote nach der Vorstellung der Statistik 2019 noch bis zum folgenden Abend demoralisierende 100 Prozent.

Ein ähnliches Bild bot sich auch in allen anderen Foren und ebenso in den Kommentarspalten lokaler wie überregionaler Onlinemedien. Einhelliger Tenor: „Ja nee, is klar“ – „Das glaubt ihr doch selber nicht“… und ähnliche Belustigungsäußerungen mehr.

Das wiederholte sich jüngst Mitte August 2022, als die Dortmunder Polizei wiederholt beharrte: Die Kriminalität in der Nordstadt sinke drastisch.

Die quasi 100-Prozent-Ansammlung amüsierter Emojis  kommentierte ein User auf der Rundblick-Facebookseite mit der nüchternen Feststellung:

„Leider muss man davon ausgehen, daß die Leute das nicht wirklich lustig finden, sondern dass es sich eher um eine Art verbittertes Hohngelächter handelt.

Aber wieso ist das so und wieso klafft zwischen offiziell verkündeter und subjektiv wahrgenommener Kriminalität in diesem Jahr eine derartige Kluft?

Erklärungsversuch Nr. 1: „Das Internet“ bzw. die Onlinemedien sind „Schuld“ – sie vermitteln durch ihre permanente Berichterstattung jedweder Straftaten ein verzerrtes Bild, das die reale Lage weitaus schlimmer erscheinen lässt, als sie wirklich ist. 

  • Da ist bestimmt etwas dran. ABER. Die Onlinemedien berichten schon seit vielen Jahren entsprechend, weshalb dieser Erklärungsansatz nur unzureichend greift. Unsere eigene Redaktion berichtet seit Juni 2013 täglich über Straftaten aus dem Kreis Unna, den angrenzenden beiden Nachbarkreisen (MK und Kreis Soest) und den angrenzenden beiden Großstädten Dortmund und Hamm. Der Umfang der berichteten (bekannt gewordenen – durch Polizei oder Leserhinweise) Straftaten ist obektiv messbar in den letzten Jahren teils massiv angestiegen, insbesondere das „Messer“-Fotosymbol haben wir in den ersten beiden Rundblick-Jahren praktisch überhaupt nicht gebraucht – inzwischen müssen wir es teilweise mehrmals an einem Tag „benutzen“.

Erklärungsversuch Nr. 2: „Die Menschen WOLLEN einfach glauben, dass „es immer schlimmer wird.“

  • Einige bestimmt. Aber so viele – bis zu 100 Prozent eines beliebigen Mediums? Hängen derart viele Menschen in der Falle „rein gefühlte Unsicherheit“ und blenden bewusst die (immer sicherere) Realität aus?

Erklärungsversuch Nr. 3: Die Polizeiliche Kriminaltiätsstatistik sagt über die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung nur bedingt etwas aus.“ Die Kreispolizeibehörde Märkischer Kreis stellte ihrer „PSK“ folgenden Passus voran: „Aussagekraft der PKS eingeschränkt durch Dunkelfeld (nicht angezeigte Straftaten). Zahlen bilden lediglich polizeilich bekannt gewordenen Straftaten ab (Hellfeld)… Dunkelfeld abhängig von z.B. Anzeigebereitschaft der Bevölkerung und Art der Delikte.“

Heißt also: Die „PSK“ bildet ausschließlich die angezeigten Straftaten ab, und die Anzeigebereitschaft der Bürger wiederum variiert je nach Art der Straftat.

Während der frühere Landrat Michael Makiolla diese These auf Nachfrage in der PSK-Pressekonferenz vehement verneinte – die Bürger entschlössen sich im Gegenteil heute in größerer Zahl zur Anzeige als früher, behauptete er – , deckt sich die vorgeschaltete Bemerkung der MK-Polizei mit folgender Feststellung im „faktenfinder“ der ARD-Tagessschau:

„Nach wie vor dominieren Eigentums- und Vermögensdelikte wie Diebstahl, Betrug, aber auch der Wohnungseinbruch die PKS. Dies liegt aber nicht zuletzt daran, dass diese Taten aus versicherungstechnischen Gründen fast immer (Autodiebstahl, Einbruch) oder doch weit überwiegend zur Anzeige gebracht werden.

Laut einer niedersächsischen Befragung zu Sicherheit und Kriminalität werden 95 % der Autodiebstähle und 81 % der Wohnungseinbrüche angezeigt. Dagegen sind es bei Körperverletzungen nur 36 %  und bei Sexualstraftaten sogar nur 6 %.

…. Der Kriminologe Henning Ernst Müller von der Universität Regensburg ist „einerseits erfreut darüber, dass es endlich eine breite Debatte über die Aussagekraft der PKS gibt“. Denn die Kriminalstatistik der Polizei sei „eigentlich keine solche“, wie Müller im juristischen Expertenforum des C.H. Beck Verlages schreibt,

„sondern eine Aufzeichnung der polizeilichen Tätigkeit im Bereich der Strafverfolgung“.

Die meisten Angaben hingen von Strafanzeigen ab, deren Häufigkeit keineswegs mit der tatsächlichen Kriminalität einhergehe.

Eindeutige Worte zur Aussagekraft der PSK fand seinerzeit auch Polizeibeamter Ralf Piekenbrock aus Selm (Familenpartei):

„Sprecht mit Polizeibeamten, die auf der Straße oder in der Sachbearbeitung tätig sind. Gerade die Sachbearbeiter wissen, wie viele Dienstanweisungen zum Führen der PKS es in den letzten Jahren gegeben hat, um es besser aussehen zu lassen.

Sicher habt ihr Recht, das der Informationsfluss in Zeiten von Internet und sozialen Medien wesentlich grösser ist.

Aber das Einsatzaufkommen für die Kollegen und die Gewaltbereitschaft auch gegen Polizisten haben exorbitant zugenommen.

Wenn viele Kollegen, die mittlerweile Hunderte von Überstunden vor sich herschieben und täglich mit dem schwindenden Respekt und der steigenden Aggressivität auf der Strasse zu kämpfen haben, solche „Erfolgsmeldungen“ hören, steht denen die Galle bis Unterkante Oberlippe.“

  • Eine Art „Schönreden“ ist, kritisch betrachtet, auch die Art, wie die PSK die Ausländerkriminalität erfasst: Zwar werden die ermittelten Tatverdächtigen (TV) seit einigen Jahren in „ausländische“ und „deutsche“ TV aufgeschlüsselt, doch unter „Deutsche“ – die je nach Behörde 68 bis über 75 Prozent ausmachen – sind auch alle Doppel- und Mehrfachstaatler gefasst, unter „Ausländer“ ausschließlich Menschen mit nur einer (nichtdeutschen) Staatsangehörigkeit. Der Anteil Nichtdeutscher an der Gesamtbevölkerung eines Kreises/einer Stadt bleibt in der Statistik unerwähnt.

5 KOMMENTARE

  1. Nicht’s genaues weiss Frau nicht, nein ?

    Wie sagte der Komödiant im TV „21 Schwangerschaft’s-Test’s auf dem Tisch, wie unsicher kann Frau sein ?“

    ^^

  2. Jetzt sagt uns die Zeitung: „Sicherheit, ist es denn wirklich so, wie Ihr denkt?“ -und will uns doch nur abspenstig machen das Sicherheit, der Umgang damit, und wie „wir“ uns damit womöglich fühlen, womöglich auch zum Nachteil etwaiger Sicherheitsbehörden, doch noch immer in unserer eigenen Betrachtungsweise, wie unserer Umgehensweise damit, gründet.“

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