Corona im Flüchtlingsheim: Erst niemand für Auskunft zuständig und dann setzt es Presseschelte

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Ein Zettel an der Tür der Unterkunft in Schwerte-Geisecke informierte über aufgetretene Coronafälle. (Foto Pohland)

Über die Schwierigkeit, bei „schwierigen“ Themen wie Corona zeitnah oder generell auf Anfragen verlässliche Informationen zu bekommen, haben wir auf Rundblick bereits vereinzelt berichtet. Unser junger Kollege Lukas Pohland, Redationsleiter des Portals „MeinSchwerte“, erlebte bei seiner Recherche über die Coronafälle in einer städtischen Flüchtlingsunterkunft  geradezu einen Klassiker:

  • Ein Leser gibt einen Hinweis auf eine Geschichte;
  • beim Versuch, Stellungnahmen einzuholen, verweisen die Behörden wechselseitig aufeinander, keine sieht sich zuständig;
  • und als dann trotzdem berichtet wird, setzt es Presseschelte.

In diesem Fall sogar zweifach, zuerst vom Bürgermeister persönlich und sodann von der Stadtverwaltung, die gleich noch ein zweites Schwerter Medium wegen seiner Berichterstattung öffentlich kritisierte.

Wir greifen diesen Vorfall auf, um auch einmal Verständnis für unsere Arbeit zu wecken, gerade wenn es um so „undankbare“ Themen wie Corona geht. Da bleiben Informationen oft zwangsweise „schwammig“-unkonkret, was Rundblickleser bei unseren täglichen Updates der registrierten Fallzahlen immer wieder mal kritisieren.

In Stichpunkten die Chronologie im Beispielfall „Corona in Schwerter Flüchtlingsheim“:

Ein Supermarktmitabeiter sieht einen Zettel an der Flüchtlingsunterkunft in Geisecke: “Wir haben Corona im Haus. Alle Personen bleiben bitte im Haus unter Quarantäne!” Unterzeichnerin: die Stadt Schwerte.

Der Supermarktmitarbeiter ruft bei „MeinSchwerte“ an, informiert über den Zettel. Redakteur Lukas Pohland notiert die Aussagen seines Gesprächspartners.

Gegenrecherche: Der Kollege bittet bei der Stadt Schwerte um eine Stellungnahme. Er bekommt vom Pressesprecher die Antwort: „Hallo, das Gesundheitsamt des Kreises Unna ist zum Thema Corona für alle Städte und Gemeinden federführend. In der Pressestelle des Kreises laufen alle Daten und Fakten auf.“ Dort erhalte der Kollege Antworten.

Der Kollege stellt seine Anfrage an die Pressestelle des Kreises. Antwort: „Da die Zuständigkeit hier nicht bei der Gesundheitsbehörde, sondern bei der Ordnungsbehörde liegt, bitte ich Sie hier ebenfalls, die Pressestelle der Stadt Schwerte zu kontaktieren.“

Der Kollege verfasst seinen Bericht und nimmt eine wörtliche Aussage seines Hinweisgebers in die Überschrift: „Die Verwaltung macht nichts!“ Im Text zitiert er den Supermarktmitarbeiter wörtlich mit der Kritik: “Die Bevölkerung wird nicht geschützt. Die Bewohner gehen arbeiten und einkaufen. Die Verwaltung wird nicht tätig, der Bürgermeister unternimmt nichts.”

Am selben Abend meldet sich der Schwerter Bürgermeister per Facebook:

„Liebe Schwerterinnen und Schwerter,

aus dem Kurzurlaub melde ich mich einmal zurück. Grund sind vier neue Fälle, allesamt in einer Unterkunft, und ein Pressebericht, dass „die Verwaltung nichts tun würde“. Ich möchte solche Aussagen nicht weiter kommentieren, nur soviel: ich glaube nicht, dass man uns in der Krise vorwerfen kann, wir würden nichts tun. ….“ (Folgt Aufzählung dessen, was getan wurde.) “
– vorgestern ist ein einzelner Bewohner positiv auf Corona getestet worden.
– gestern sind auf Anweisung des Gesundheitsamtes dann alle weiteren Bewohner*innen getestet worden. Die Stadt hat mit einem Aushang und direkter Ansprache deutlich gemacht, dass an diesem Tag das Gesundheitsamt alle testen wird.
– unabhängig von den Ergebnissen haben Polizei und Ordnungsamt die Einrichtung besucht, um die Quarantäne einzuhalten
– seit heute steht fest, dass drei weitere Bewohner*innen infiziert sind. Alle anderen müssen aus Sicherheitsgründen dennoch in Quarantäne. Alle sind hierüber informiert worden
– morgen werden die Bewohner*innen noch einmal über die weiteren Schritte informiert, die wir einleiten werden. Wie in allen anderen Fällen auch: zuerst werden die Betroffenen informiert.
Wir haben als Verwaltung nichts zu verbergen, beteiligen uns aber auch nicht an Spekulationen und Halbwahrheiten.“ 

Zwischenzeitlich hat auch die Kreisgesundheitsbehörde in ihrem nachmittäglichen Corona-Update kurz auf bislang 4 Coronafälle „in einer Schwerter Flüchtlingsunterkunft“ hingewiesen.

Am Folgetag (Freitag) folgt dann ein ausführlicher Sachstandsbericht der Stadt Schwerte, ebenfalls auf Facebook gepostet („Geisecker Flüchtlingsunterkunft steht bis zum 19. August unter Quarantäne“), der mit folgendem Passus endet:

„Mit diesen Maßnahmen werden wir unserer Verantwortung gerecht“, unterstreicht Bettina Brennenstuhl und rückt damit in Medien verbreitete Eindrücke zurecht, die Verwaltung tue nichts. …. Festhalten möchte die Stadt auch, dass sich die Flüchtlingsunterkunft nicht auf dem Gelände des Einkaufszentrums in Geisecke befindet. Sie tritt damit einem Medienbericht entgegen und sieht in der Formulierung ein unlauteres Mittel, eine nicht vorhandene Dramaturgie zu entwickeln.“

Festhalten möchte unsere Redaktion (in diesem Fall unbeteiligt): Am Ende ist eben immer die Presse Schuld. 😉

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