Jasmina Binder weint am Telefon, als sie uns an diesem Samstagnachmittag über ihre verzweifelte Suche nach Kater Spocky erzählt. Immer wieder muss die 73-Jährige bitterlich schluchzend das Gespräch unterbrechen, um Fassung ringen. „Ich bin mit meiner Kraft am Ende. Ich mache mir solche Vorwürfe“, weint sie.
Die Geschichte rührt an. Seit über vier Monaten fährt die Rentnerin aus Warstein-Allagen nahezu täglich nach Kamen und sucht dort auf der Lüner Höhe verzweifelt nach ihrem „kleinen Schatz“, dem schwarzen Kater Spocky. Er verschwand dort; vermutlich. Genaues weiß Janina Bender nicht. Und genau diese Ungewissheit macht die 73-Jährige inzwischen „regelrecht krank“.
Spocky gehörte einem Freund und Nachbarn der Benders in Warstein. Jasmina Binder kannte den schwarzen Mauz von klein auf. Er war „eine Handvoll Katze“, als er gefunden wurde. Zusammen mit der schon vorhandenen Karthäuserkatze Lady hatte Spocky bei seinem Besitzer „das schönste Leben“, schildert Jasmina.
„Er wohnte mit den Katzen gleich über uns. Ich kannte und liebte die Katzen wie meine eigenen.“
Wieder muss Jasmina weinen, als sie weitererzählt. „Ich habe ihm immer fest versprochen: Wenn du nicht mehr da bist, mein Mann und ich sorgen für die Katzen. Sie werden nie ins Tierheim kommen, nur in gute Hände.“
Am 20. März starb der Nachbar und Freund. Jasmina und ihr Mann hielten ihr Versprechen, nahmen sich der Katzen an. Wenige Tage später meldete sich die Tochter des Verstorbenen, der gebürtig aus Kamen stammte. Sie hätte in Kamen ein gutes neues Zuhause für Spocky und Lady gefunden und würde die Katzen in Warstein abholen.
Bitterlich schluchzend erinnert sich Jasmina Binder an den Tag, an dem die Tochter Spocky und Lady abholte. „Ich hätte nie zulassen dürfen, dass sie sie mitnimmt. Ich mache mir solche Vorwürfe. Aber ich habe ihr vertraut.“
Sie bekam „eine Telefonnummer von den Leuten, die die Katzen angeblich übernommen hatten“, bekam bei ihrem ersten Anruf dort von einem Mann die Auskunft, es wäre alles bestens, den Katzen gehe es gut. Auf ihre vorsichtige Frage, ob sie eventuell Fotos von Spocky und Lady bekommen könne, kam eine abweisende Reaktion. Nach einem weiteren Versuch der Kontaktaufnahme, erzählt die 73-Jährige, „hat mich der Mann aufs Übelste über WhatsApp beleidigt und beschimpft. Das war so schlimm…“ Wieder muss sie weinen. Über die Tochter des verstorbenen Freundes kamen die Binders auch nicht weiter, diese habe abwehrend reagiert, das Thema gehe sie nichts mehr an.
Am 5. April, noch bevor der Verstorbene in Kamen bestattet wurde, wurde auf der Lüner Höhe Karthäuserkatze Lady gefunden. Sie war verletzt, kam in Obhut des Tierschutzes. Die Karthäuserin, die jetzt Paula heißt, wurde gut vermittelt, „mit ihr ist alles in Ordnung, Gottseidank“. Jasmina Binder hält sich wenigstens an diesem Lichtblick fest. Denn Spocky, der scheue schwarze Kater, ist verschwunden.
Da Lady draußen gefunden wurde, vermutet Jasmina, dass der neue Besitzer die Katzen in den Freigang gelassen hat und beide dann weggelaufen sind. Möglicherweise wurden sie auch ausgesetzt. Doch das sind alles Spekulationen, sie helfen jetzt nicht mehr weiter, denn jeglicher Kontakt zu dem neuen Besitzer und auch zu der Tochter des Verstorbenen sei nicht möglich, sagt die Seniorin.
Ungezählte Male sind sie und ihr Mann seither von Warstein nach Kamen gefahren, um verzweifelt nach Spocky zu suchen. „Ich habe Plakate aufgehängt, Anzeigen in der Zeitung aufgegeben. In vielen Facebookgruppen ist Spocky schon gewesen.“ Die 73-Jährige ist am Boden zerstört: „Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich kann mir das nie verzeihen.“
Zu dem Umstand, dass sich der inzwischen 7 Jahre alte kastrierte Kater Fremden gegenüber sehr scheu verhält, kommt erschwerend hinzu, dass er nicht gechipt ist. Dass er überfahren wurde, hält Jasmina für unwahrscheinlich. „Ich bin so oft dort gewesen und habe stundenlang jede Straße abgesucht.“
Nach jetzt vier Monaten ist sie „am Ende“, sagt die 73-Jährige, seelisch und auch körperlich, „ich bin krank geworden über dieser Ungewissheit.“ Nicht zu wissen, was mit Spocky geschehen ist, das, sagt Jasmina Binder, „ist das Schlimmste.“ Sie hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sie aus dieser Ungewissheit erlöst wird. „Auch wenn er tot ist – das wäre zwar traurig. Aber dann könnte ich Abschied nehmen und abschließen.“